Ballaststoffe gegen Grippe

Aus einigen unverdaulichen Nahrungsbestandteilen erzeugen Darmbakterien Abbauprodukte, die die Immunabwehr von Viren verbessern
Topinamburknollen enthalten viel Inulin.
Topinamburknollen enthalten viel Inulin.
© Earendil / Creative-Commons-Lizenz (CC BY-SA 3.0), https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de
Epalinges (Schweiz)/Melbourne (Australien) - Eine ballaststoffreiche Kost kann übermäßige Immunreaktionen drosseln und so chronische Entzündungen dämpfen. Jetzt haben Forscher aus den USA und der Schweiz untersucht, ob eine solche Ernährung den Immunschutz gegen Infektionen beeinträchtigt. Experimente mit Mäusen, die mit Grippeviren infiziert wurden, ergaben genau das Gegenteil: Die Tiere, deren Futter der Ballaststoff Inulin zugesetzt war, hatten geringere Lungenschäden und eine größere Überlebenschance als die anderen. Ein Futterzusatz mit Abbauprodukten des Inulins, die auch Darmbakterien erzeugen, erbrachte dieselbe Schutzwirkung, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Immunity“. Klinische Studien sollen nun zeigen, ob die Ergebnisse auch auf den Menschen übertragbar und therapeutisch nutzbar sind.

„Überraschenderweise aktivierte die ballaststoffreiche Ernährung einen Teil des Immunsystems, während sie einen anderen Teil abschwächte“, sagt Benjamin Marsland von der Monash University in Melbourne. Einige Ballaststoffe wie das wasserlösliche Inulin können zwar vom menschlichen Verdauungssystem selbst nicht verwertet werden. Doch bestimmte Bakterien im Dickdarm setzen daraus kurzkettige Fettsäuren frei, insbesondere Essigsäure, Propionsäure und Buttersäure, die entzündungshemmend wirken. Das erkläre die positive Wirkung unverdaulicher Nahrungsbestandteile bei Asthma und anderen allergischen Erkrankungen, sagt Marsland. Eine generelle Schwächung des Immunsystems würde aber die Abwehr von Infektionen erschweren.

Um diese Möglichkeit zu prüfen, untersuchten die Forscher den Einfluss eines Ballaststoffs auf die Immunabwehr bei einer Infektion durch Influenzaviren. Dazu verabreichten sie einer Gruppe von Mäusen Futter mit hohem Inulingehalt. Dem Futter der Kontrollgruppe wurde der Ballaststoff Zellulose zugesetzt, der im Gegensatz zu Inulin von der Darmflora kaum abgebaut wird. Eine Infektion mit Influenza-A-Viren verursachte bei den Tieren der Inulingruppe deutlich weniger Gewebeschäden in den Lungen und weniger Todesfälle als bei den anderen Mäusen. Ein verbesserter Immunschutz ließ sich auch dadurch erzielen, dass dem Futter anstelle von Inulin das bakterielle Abbauprodukt Buttersäure zugesetzt wurde.

Wie genauere Untersuchungen ergaben, dämpften die aus Inulin gebildeten Fettsäuren einerseits überschießende Reaktionen des angeborenen Immunsystems und verstärkten andererseits die Immunantwort des erworbenen Immunsystems. Die erste Wirkung verhinderte größere Lungenschäden. Die zweite aktivierte T-Zellen, die gezielt gegen die Grippeviren gerichtet waren und die Erreger eliminierten. Zusammengenommen ergab sich so eine ausbalancierte Immunreaktion mit optimalem Schutzeffekt. Jetzt seien Ernährungsstudien nötig, um eine präventive oder therapeutische Wirkung einer ballaststoffreichen Ernährung bei Infektionen des Menschen nachzuweisen, sagt Marsland. Dabei wäre auch zu klären, welche Mengen welcher Ballaststoffe am besten geeignet und welche Bakterien der Darmflora für deren Abbau verantwortlich sind.

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