Fitnesstraining für künstliche Fasern
„Dieser Ansatz zeigt, dass sich auch künstliche Materialien wie lebendes Gewebe verhalten können“, sagt Tasuku Nakajima von der Hokkaido University in Sapporo. Gemeinsam mit seinen Kollegen entwickelte er dazu ein spezielles Hydrogel. In diesem flexiblen Material mit gut 85 Prozent Wasseranteil vernetzten sich zwei verschiedene Kunststoffe zu einem doppelten Polymernetzwerk. Bei starker Dehnung rissen einzelne Polymerfasern in dem Hydrogel, vergleichbar mit feinen Muskelrissen bei einem intensiven Lauftraining.
Diese Fasern konnten sich nun wie in einem lebenden Organismus wieder selbstständig reparieren. Verantwortlich waren dafür chemisch aktive Bereiche an den Risskanten im Polymernetzwerk, Mechanoradikale genannt. Eingetaucht in eine Flüssigkeit mit einzelnen Monomer-Molekülen auf Acrylamid-Basis, dockten genau diese Monomere an die Risskannten an. Danach vernetzten sie sich zu neuen und sogar stärker ausgeprägten Polymer-Netzwerken. In einem Pilotversuch dehnten Nakajima und Kollegen eine Hydrogel-Faser mit einem Gewicht bis kurz vor die Belastungsgrenze. Wieder entlastet dockten die Monomer-Moleküle aus der umgebenden, künstlichen Nährflüssigkeit an die entstanden Risskanten an und vernetzten sich. Darauf wurde die Hydrogel-Faser vom gleichen Gewicht deutlich weniger ausgedehnt.
Die Versuche zeigten, dass dieser Selbstheilungs-Mechanismus die Stabilität der Hydrogel-Faser um ein Vielfaches steigern konnte. Parallel nahm das Gewicht der Faser um bis zu 86 Prozent zu. Ein Verhalten, dass sonst nur lebende Muskeln nach einem intensiven Training zeigen. Anwendungen solcher selbstheilenden Hydrogel-Fasern könnten beispielsweise in der Robotik oder in der Medizintechnik liegen. In weiteren Versuchen wollen die Forscher sowohl die Stabilität ihrer Fasern erhöhen als auch die Kontrolle über den Selbstheilungs-Mechnismus verfeinern.