Evolution der menschlichen Intelligenz: Elterliche Fürsorge als treibende Kraft
„Die Dynamik unseres Modells erklärt, wie sich ein extrem hohes Intelligenzniveau entwickelt haben könnte, ohne dass dazu ein zusätzlicher äußerer Selektionsdruck nötig gewesen wäre“, schreiben Steven Piantadosi und Celeste Kidd von der University of Rochester. Die Trends zu einem größeren Gehirn und einem immer früheren Geburtstermin würden sich gegenseitig verstärken und die Selektion beider Merkmale beschleunigen. Das Computermodell zeige, dass es prinzipiell möglich wäre, die Evolution der menschlichen Intelligenz allein durch die Vorteile einer verkürzten Schwangerschaft für die spätere Hirnentwicklung zu erklären. Dieser Vorstellung zufolge hätten sich die vielfach ausgeprägten kognitiven Fähigkeiten des Menschen gewissermaßen als Begleitumstände bei der Selektion einer intensiven Säuglingsfürsorge entwickelt. Unter realen Bedingungen haben sicherlich mehrere weitere Faktoren diesen Prozess unterstützt.
Zur Überprüfung ihrer Theorie sammelten die Forscher Daten von 23 Primatenarten, darunter Menschenaffen, Makaken und Lemuren. Als Maß für die Unreife der Neugeborenen diente die Zeit bis zur Entwöhnung. Die Hirngröße und Messungen kognitiver Fähigkeiten lieferten Angaben zur Beurteilung der Intelligenz. Tatsächlich stiegen die ermittelten Intelligenzwerte mit zunehmender Entwöhnungsdauer an. Auf die Frage, warum sich nicht auch bei Insekten, Reptilien oder Fischen höhere Stufen der Intelligenz entwickelt hätten, gebe es den Autoren zufolge nun eine einfache Antwort: Der hier vorgestellte Mechanismus der Evolution funktioniert nur bei lebendgebärenden Spezies. Denn nur wenn es einen Geburtsvorgang des noch nicht voll entwickelten Kindes gibt, kann es zu einer Verbindung zwischen Kopfgröße und Schwangerschaftsdauer kommen. Bei eierlegenden Lebewesen wäre dies ausgeschlossen.