Evolution: Schlangen im Gebüsch formten Affenhirn

Im Gehirn von Primaten entwickelte sich als Teil des visuellen Systems eine Gruppe von Neuronen, die auf die schnelle Wahrnehmung von Schlangen spezialisiert sind
Ein besonders schnelles Erkennen von gefährlichen Schlangen wie der Wassermokassinotter (Agkistrodon piscivorus) bedeutet einen Überlebensvorteil für Primaten.
Ein besonders schnelles Erkennen von gefährlichen Schlangen wie der Wassermokassinotter (Agkistrodon piscivorus) bedeutet einen Überlebensvorteil für Primaten.
© Wikimedia Commons (gemeinfrei)
Toyama (Japan) - Menschen, Affen und andere Primaten nehmen Schlangen schneller wahr als sonstige Objekte in ihrer Nähe. Das führte zur Vermutung, dass sich diese Hirnleistung im Lauf der Evolution als Schutz vor einer tödlichen Gefahr entwickelt haben könnte. Tatsächlich haben japanische Forscher jetzt erstmals spezialisierte Hirnzellen bei Makaken nachgewiesen, die auf Bilder giftiger Schlangen viel stärker reagierten als auf andere visuelle Informationen. Diese Neuronen liegen im sogenannten Pulvinar, einer Hirnstruktur, die es nur bei Primaten gibt. Die neuen Resultate unterstützen die „Schlangen-Erkennungs-Theorie“, wonach die Bedrohung durch Schlangen im gemeinsamen Lebensraum die Evolution eines Teils des Primatenhirns stark beeinflusst hat, schreiben die Wissenschaftler im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“.

„Sowohl Primaten als auch die für sie gefährlichen Schlangenarten haben ihre größte Verbreitung in tropischen Ökosystemen“, stellen die Forscher um Hisao Nishijo von der University of Toyama fest. Daher könnte bei der Evolution der Primaten ein Selektionsdruck entstanden sein, der die Verarbeitung bestimmter optischer Signale verändert hat. Für das Überleben in ihrer Umwelt sind die Primaten in weit größerem Maß auf ihre Augen angewiesen als auf Ohren und Nase. So erklären sich speziell entwickelte Hirnstrukturen wie das Pulvinar, ein Teil des Thalamus. Das Pulvinar empfängt Signale direkt von der Netzhaut, ist bei aufmerksamer visueller Wahrnehmung aktiv und vermittelt eine besonders schnelle Reaktion auf Gefahr. Auch Hirnzellen des Menschen werden beim Anblick von Schlangen aktiviert, lange bevor diese visuelle Information ins Bewusstsein dringt.

Die Forscher führten ihre Untersuchungen mit zwei Japanmakaken (Macaca fuscata) durch, die sie vor einen Bildschirm platzierten. Den Tieren wurden vier Gruppen von Bildern präsentiert: giftige Schlangen wie die Wassermokassinotter (Agkistrodon piscivorus) und andere Grubenottern, Makaken-Gesichter unterschiedlicher Mimik, Hände von Makaken und einfache geometrische Objekte wie Kreis, Quadrat und Stern. Durch in das Gehirn eingeführte Mikroelektroden registrierten die Wissenschaftler die Aktivität von 91 einzelnen Neuronen des Pulvinars beim Anblick eines Bildes. 41 Prozent der Neuronen reagierten am stärksten auf die Schlangenfotos. Auf die Gesichtern sprachen fast 29 Prozent an, auf die Hände knapp 19 und auf die geometrischen Figuren nur noch 12 Prozent. Die Aktivierung der Hirnzellen erfolgte durch die Schlangen zudem schneller als durch die anderen Objekte. Diese Messergebnisse könnten erklären, warum Primaten Schlangen auch in unübersichtlicher Umgebung so ungewöhnlich schnell entdecken. Die Forscher regen an, zur Bestätigung ihrer Resultate ähnliche Untersuchungen auch mit anderen Primatenarten und eng verwandten Arten von Säugetieren durchzuführen.

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