Druck macht Solarzellen effizienter

Auf der Nanoebene verformte Halbleiter zeigen einen zusätzlichen photovoltaischen Stromfluss
Schema des flexo-photovoltaischen Effekts, der dank einer Änderung der Kristallstruktur unter einer Druckbelastung in Halbleitern wie etwa Silizium auftritt.
Schema des flexo-photovoltaischen Effekts, der dank einer Änderung der Kristallstruktur unter einer Druckbelastung in Halbleitern wie etwa Silizium auftritt.
© M. Garlick, Univ. Warwick
Coventry (Großbritannien) - Weltweit werden bisher knapp zwei Prozent des Strombedarfs mit Solarkraftwerken gedeckt, in Deutschland immerhin schon etwa sechs Prozent. Ein starker Anstieg ist dank drastisch gefallender Modulpreise und Wirkungsgraden über 20 Prozent zu erwarten. Britischer Physiker fanden nun einen eleganten Weg, um die Effizienz von Solarzellen über einen weiteren photoelektrischen Effekt sogar noch zu steigern. Wie sie in der Fachzeitschrift „Science“ berichten, bildet eine geringe Verformung des Halbleitermaterials unter Druck die Grundlage für diesen flexo-photovoltaischen Effekt.

„Selbst ein Anstieg des Wirkungsgrads um nur ein Prozent könnte einen immensen wirtschaftlichen Wert darstellen“, sagt Marine Alexe von der University of Warwick in Coventry. Bisher zeigen ferroelektrische Materialien wie Bariumtitanat einen bisher wenig beachteten photovoltaischen Festkörpereffekt ohne einen so genannten p-n-Übergang, wie er in konventionellen Solarzellen üblich ist. Trifft polarisiertes Licht auf ein Ferroelektrikum, entsteht eine Spannung. Die Ursache für diesen anomalen photovoltaischen Effekt liegt in der nicht-zentralsymmetrischen Kristallstruktur. Für Solarzellen, die allein diesen Effekt nutzen, ist der Wirkungsgrad viel zu klein. Doch als zusätzlicher Effekt könnte er die Wirkungsgrade herkömmlicher Solarzellen unabhängig vom theoretischen Maximum, dem Shockley-Queisser-Limit, ein wenig steigern.

Diesen Ansatz verfolgten nun Marin Alexe und seine Kollegen. Ihre Idee: Wird die zentralsymmetrische Struktur etwa von Siliziumkristallen verändert, sollte ebenfalls ein anomaler photovoltaischer Effekt auftreten. Dazu konzipierten die Forscher ein Experiment, in dem sie mit der Spitze eines Atomkraftmikroskops punktuell symmetrische Einkristalle unter Druck setzen konnten. Zeitgleich bestrahlten sie ihre Proben mit Laserlicht, um einen anomalen photovoltaischen Stromfluss der verformten Kristalle erzeugen zu können. Für ihre Versuche wählten die Forscher Strontiumtitanat, Titandioxid und Silizium. Mit der Mikroskopspitze übten sie lokal begrenzt Kräfte von bis zu 18 Mikronewton auf die zentralsymmetrisch aufgebauten Kristalle aus. Bei dieser Druckbelastung auf einem Bereich weniger Quadratnanometer gingen alle Kristalle in eine nicht-zentralsymmetrische Struktur über. Dabei ließ sich ein photovoltaischer Stromfluss mit hundertfach vergrößerter Stromdichte von bis zu einem Ampere pro Quadratzentimeter nachweisen.

Alexe und Kollegen gehen davon aus, dass dieser Effekt nicht nur bei zentralsymmetrischen, anorganischen Halbleiterkristallen, sondern auch bei organischen Halbleitern durch eine gezielte Druckbelastung auftreten sollte. Auch für Perowskit-Kristalle und topologische Isolatoren wie Bismuttellurid ist dieser anomale photovoltaische Effekt relevant. So könnte eine gezielte Veränderung der jeweiligen symmetrischen Kristallstrukturen zur einer Erhöhung des Gesamtwirkungsgrades von Solarzellen aus diesen Materialien um geschätzt etwa ein Prozent führen.

Der flexo-photovoltaische Effekt ließe sich bei Solarzellen mit extrem dünnen Halbleiterschichten nutzen. Die britischen Forscher schlagen nun die Entwicklung von Tandem-Solarzellen vor, in denen sich nanostrukturierte Spitzen im Schichtaufbau integrieren ließen. Diese würden permanenten Druck auf die Halbleiterschichten ausüben, den zentralsymmetrischen Aufbau stören und so die Grundlage für eine zusätzliche Stromerzeugung legen. „Damit besteht die Chance, das thermodynamische Wirkungsgradmaximum – das Shockley-Queisser-Limit – zu überwinden“, sagt Alexe.

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