Die Physik der Dornen und Stachel

Spitze Strukturen in der Natur zeigen trotz enormer Größenunterschiede eine verblüffende Ähnlichkeit im Aufbau
Stachel, Dornen oder Stoßzähne gehorchen trotz deutlicher Unterschiede in Größe oder Material einer allgemein gültigen Strukturformel.
Stachel, Dornen oder Stoßzähne gehorchen trotz deutlicher Unterschiede in Größe oder Material einer allgemein gültigen Strukturformel.
© Kaare H. Jensen
Lyngby (Dänemark) - Rosen schützen sich mit spitzen Dornen, Viren durchstoßen Zellwände mit Stacheln und Narwale durchpflügen die Meere mit ihrem langen Stoßzahn. Diese spitzen Strukturen unterscheiden sich in ihrer Größe um mehrere Größenordnungen – von einigen Nanometern bis zu wenigen Metern. Trotzdem sind sie alle nach dem gleichen Prinzip aufgebaut. Zu diesem Ergebnis kommen dänische Wissenschaftler, die Länge, Durchmesser und Stabilität all dieser Strukturen analysiert haben. Diese Inventur der Dornen und Stacheln könnte auch konkrete Anwendungen nach sich ziehen, um bei der Fertigung von medizinischen Nadeln das ideale Verhältnis von Stabilität und Materialeinsatz zu finden.

„Das Design der spitzen Strukturen ist sehr ähnlich – vom einem Nanostachel eines Virus bis zum sogenannten Rostrum eines Schwertfisches“, sagt Kaare Hartvig Jensen von der Technischen Universität Dänemark in Lyngby. Der Biophysiker analysierte zusammen mit seinen Kollegen eine Vielzahl natürlicher Stacheln und Dornen aus der Tier- und Pflanzenwelt. Auf der Grundlage von Literaturwerten trugen sie den Durchmesser der Stacheln an der Basis gegen die Länge auf. Die Längen reichten von 40 Nanometern bis zu viereinhalb Metern. Schon dieser Vergleich ergab mit wenigen Abweichungen einen linearen Zusammenhang über alle relevanten Größenordnungen. So sind Stacheln, Dornen oder Stoßzähne ungefähr um knapp das 17-fache länger als der Durchmesser ihrer jeweiligen kreisrunden Basis.

Danach ergänzten sie in ihrem Vergleich noch die Stabilität der Stacheln und Dornen. So sind die natürlichen Spitzen fast immer gerade fest genug, um eine ihrem Zweck zugeordnete Schicht durchstoßen zu können. Das kann bei einem Virus die Zellwand einer Zelle sein und bei einer Mücke die Haut eines Menschens. Auch dieser Vergleich, der das Elastizitätsmodul – ein Wert für die Stabilität gegen Verbiegen – des jeweiligen Materials einer Spitze mit berücksichtige, lieferte den Forschern eine einzige Gleichung, denen alle Dornen und Stacheln bei verblüffend geringen Abweichungen gehorchten.

Jensen und Kollegen betrachteten nicht nur natürliche Dornen und Stachel. Auch vom Menschen gefertige medizinische Nadeln, Nägel und historische Lanzen ergänzten sie in ihrer Vergleichsstudie. Selbst die Maße dieser spitzen Strukturen entsprachen weitestgehend der von ihnen aufgestellten Gleichung. Historische Waffen waren etwas weniger stabil, moderne Injektionsnadeln dafür etwas stabiler als der jeweils berechnete Idealwert. „Diese neuen Erkenntnisse können für die Berechnung des optimalen Designs eines spitzen Objekts genutzt werden“, sagt Jensen. So könne in Zukunft der Materialeinsatz ohne Einbußen bei der geforderten Stabilität reduziert werden.

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