Bonobos und Schimpansen nutzen Gesten ähnlicher Bedeutung

Möglicherweise haben sich Formen der nonverbalen Kommunikation bereits bei den gemeinsamen Vorfahren beider Menschenaffen – und des Menschen entwickelt
Schimpansen und Bonobos nutzen Gesten, um einen anderen zur Fellpflege aufzufordern.
Schimpansen und Bonobos nutzen Gesten, um einen anderen zur Fellpflege aufzufordern.
© Catherine Hobaiter, Lizenz: CC-BY
York (Großbritannien) - Als Mittel der Kommunikation nutzen sowohl Schimpansen als auch Bonobos viele Gesten, durch die beide Primaten dasselbe ausdrücken. Im Prinzip wäre demnach eine nonverbale Verständigung mit Hilfe bestimmter Armbewegungen und Körperhaltungen zwischen den eng verwandten Menschenaffen möglich, berichten britische Forscher im Fachblatt „PLoS Biology“. Aus zahlreichen Beobachtungen wild lebender Bonobos erstellten sie erstmals einen Katalog von 33 Gesten mit den zugehörigen Bedeutungen. Diese Zusammenstellung zeigte große Ähnlichkeiten mit dem bereits bekannten Gestenrepertoire von Schimpansen. Möglicherweise ist diese Form der Verständigung im Lauf der Evolution bereits vor dem Zeitpunkt entstanden, an dem sich die Entwicklungslinien von Schimpanse, Bonobo und Mensch getrennt haben.

„Wir haben inzwischen begonnen zu untersuchen, ob einige der Gesten dieser Menschenaffen auch von Menschen eingesetzt und verstanden werden“, sagt Erstautorin Kirsty Graham von der University of York. Ihre Forschergruppe dokumentierte durch Filmaufnahmen die Kommunikation von Bonobos durch Gesten, das heißt Bewegungen der Arme und des Körpers, die gezielt Signale an einen Artgenossen senden. Zu diesem Verhalten gehört eine erwartete Reaktion des Adressaten. Eine solche Kommunikation gilt erst dann als nachgewiesen, wenn diese Reaktion dann auch tatsächlich erfolgt und daraufhin das „Gestikulieren“ eingestellt wird.

Die Analyse von mehr als 2000 Einzelbeobachtungen in einem Reservat in der Demokratischen Republik Kongo ergab 33 unterscheidbare Arten von Gesten. Aufgrund der Reaktionen darauf ließen sich den Gesten 14 verschiedene Bedeutungen zuordnen, darunter: „Gib mir das!“, „Komm näher!“, „Komm mit mir!“, „Putz mir das Fell!“, „Ich will Sex!“ und „Hör auf damit!“ Die Gesten fordern also dazu auf, eine bestimmte Aktivität zu beginnen oder zu beenden. Dabei zielten 17 Gesten auf jeweils ein Ergebnis ab, während die anderen jeweils mindestens zwei mögliche Reaktionen auslösten. Dazu gäbe es eine Parallele in der menschlichen Sprache, in der auch Wörter mit mehr als einer Bedeutung vorkommen, schreiben die Autoren. Welche davon im konkreten Fall die richtige ist, entscheiden wohl auch die Bonobos aufgrund zusätzlicher Informationen wie Gesichtsausdruck oder äußere Umstände.

Die neuen Ergebnisse zeigen, dass nicht nur das Gestenrepertoire von Bonobos (Pan paniscus) und Schimpansen (Pan troglodytes) zu etwa 90 Prozent übereinstimmt. Auch die Zuordnungen von Geste und Reaktion sind weitgehend identisch und beruhen nicht nur auf zufälligen Gemeinsamkeiten, wie zusätzliche statistische Analysen ergaben. Für Schimpansen und Gorillas beträgt die Übereinstimmung der gestischen Körperbewegungen 60 Prozent, für Schimpansen und Orang-Utans sind es 80 Prozent. Allerdings ist in diesen Fällen nicht geklärt, ob auch die Reaktionen auf die einzelnen Gesten identisch sind.

Noch ist nicht bekannt, ob die Gesten erlernt werden müssen oder angeboren sind. Wegen ihrer sehr ähnlichen Lebensbedingungen und Anatomie könnten Schimpansen und Bonobos die weitgehend übereinstimmenden Gesten unabhängig voneinander entwickelt haben, schreiben die Forscher. Eine andere Möglichkeit wäre, dass das gemeinsame Verhaltensmerkmal auf gemeinsamen Genen beruht. Es sei durchaus wahrscheinlich, dass der letzte gemeinsame Vorfahr von Schimpanse, Bonobo und Mensch über ein ähnliches Repertoire an Gesten verfügte, wie es die beiden Vertreter der Gattung Pan heute noch zeigen. Die Verständigung durch Gesten war eine wichtige Vorstufe in der Evolution der Sprache. Auch dazu könnten sich durch weitere Untersuchungen der Entwicklung dieser Fähigkeit bei unseren engsten Verwandten neue Erkenntnisse ergeben.

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