Antibiotika bildende Bakterien in heilender Erde entdeckt
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass es sich bei der Suche nach neuen Antibiotika lohnt, volkstümliche Überlieferungen und traditionelle Medizin zu erforschen“, sagt Paul Dyson von der Swansea University. „Sowohl Naturwissenschaftler als auch Historiker und Archäologen können einen Beitrag für diese Aufgabe leisten.“ Er und seine Kollegen verfolgten Hinweise auf alte Heilpraktiken der Naturmedizin im Südwesten Nordirlands. Besonders interessant waren Berichte über die Heilkraft von Erde aus einem Gebiet in der Grafschaft Fermanagh. Die als Boho bezeichnete Region war vor 1500 Jahren eine Wirkungsstätte von Druiden und wahrscheinlich bereits vor 4000 Jahren von kultischer Bedeutung. Der vor etwa 10.000 Jahren dort abgelagerte Boden zeichnet sich durch einen alkalischen pH-Wert (pH 8) und einen hohen Gehalt an radioaktivem Radon aus. Es ist überliefert, dass eine kleine Menge mit Stoff umhüllter Erde, am Körper getragen oder neun Tage unter das Kopfkissen gelegt, gegen Haut- und Schleimhauterkrankungen wirksam wäre.
Aus einer Bodenprobe konnten die Forscher nun acht Stämme von Streptomyceten anzüchten. Ein Stamm, der in ersten Voruntersuchungen das Wachstum anderer Bakterien am stärksten hemmte, wurde genetisch analysiert und als neue Spezies Streptomyces myrophorea benannt. Die Bakterien tolerierten pH-Werte bis 10,5 und Gammastrahlung bis zu 4000 Gray. Sie erwiesen sich als resistent gegen 28 von 36 getestete, klinisch eingesetzte Antibiotika und unterdrückten auf Agarplatten das Wachstum multiresistenter Stämme von Enterococcus faecium, Staphylococcus aureus (MRSA), Klebsiella pneumoniae und Acinetobacter baumanii. Diese Keime zählen derzeit zu den gefährlichsten und besonders schwer zu behandelnden Erregern.
Die damaligen Heiler hätten wohl einen Zusammenhang zwischen dem Kontakt mit den alkalischen Böden und der Heilung bestimmter Erkrankungen erkannt, schreiben die Autoren. Leider haben die Druiden keine schriftlichen Informationen über die Art der medizinischen Anwendung hinterlassen. Der Nachweis von Antibiotika bildenden Streptomyceten könnte aber einige der überlieferten Heilwirkungen erklären. „Wir wollen uns jetzt auf die Reinigung und Identifizierung dieser Antibiotika konzentrieren“, sagt Teammitglied Gerry Quinn vom Ruder Boškovic Institute in Zagreb. Außerdem gebe es weitere Mikrobenarten aus denselben Bodenproben, die für die Suche nach neuen antimikrobiellen Wirkstoffen wichtig sein könnten.