Neuer Wirkstoff gegen hartnäckige Infektionen

Die chemisch optimierte Form eines menschlichen antimikrobiellen Peptids eliminiert multiresistente Keime, Biofilme und überdauernde Ruheformen von Bakterien
3D-Strukturmodell von LL-37
3D-Strukturmodell von LL-37
© Jawahar Swaminathan und MSD Mitarbeiter am Europäischen Institut für Bioinformatik / http://www.ebi.ac.uk/pdbe/entry/pdb/2k6o, gemeinfrei
Leiden (Niederlande) - Um Krankheitserreger abzutöten, setzen unsere Immun-, Haut und Schleimhautzellen gewissermaßen körpereigene Antibiotika frei. Diese sogenannten antimikrobiellen Peptide sind hochwirksam gegen ganz verschiedenartige Keime. Da sie aber auch sehr instabil sind, eignen sie sich in ihrer natürlichen Form nicht für einen therapeutischen Einsatz. Jetzt haben niederländische Forscher einen dieser Wirkstoffe so verändert, dass er ausreichend stabil für eine Behandlung hartnäckiger Hautinfektionen ist. Selbst multiresistente Bakterien und solche, die durch einen Biofilm geschützt sind, wurden durch die neue Substanz sehr effektiv abgetötet. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass Bakterien auch bei längerem Einsatz keine Resistenz dagegen entwickelt haben, wie die Mediziner im Fachblatt „Science Translational Medicine“ berichten. Noch in diesem Jahr soll eine klinische Studie anlaufen.

„Das Peptid SAAP-148 hat ein breites Aktivitätsspektrum gegen multiresistente Bakterien, überdauernde Ruheformen von Bakterien und Biofilme, die schwer zu behandelnde Infektionen verursachen“, schreiben Anna de Breij vom Medizinischen Zentrum der Universität Leiden und ihre Kollegen. Multiresistente Keime haben durch Mutationen Mechanismen entwickelt, die eine Vielzahl von Antibiotika unwirksam machen. Auf andere Weise geschützt sind Bakterien innerhalb von Biofilmen, einer selbstproduzierten Schleimschicht. Zudem können einzelne Bakterien in einen Ruhezustand übergehen und zu „Persister“-Zellen werden. Dann sind sie durch solche Antibiotika nicht mehr angreifbar, die nur bei aktiven Zellen wirksam sind. Diese unterschiedlichen Schutzmechanismen von Bakterien sind Ursachen von chronischen oder immer wiederkehrenden Infektionen.

Antimikrobielle Peptide bestehen aus einer Kette von Aminosäuren. Sie entfalten ihre Wirkung, indem sie die Zellmembran der Bakterien löchrig machen. Um aus einem solchen Peptid ein antibiotisch wirksames Medikament zu entwickeln, muss es chemisch so verändert werden, dass es im Blut, in der Wundflüssigkeit oder im Urin stabil bleibt. Ausgangspunkt für die Suche nach einem derartigen „synthetischen antimikrobiellen Anti-Biofilm-Peptid“ (SAAP) war das von menschlichen Immunzellen gebildete Peptid LL-37 aus der Gruppe der Cathelicidine. Die Forscher verkürzten das aus 37 Aminosäuren bestehende Molekül auf nur noch 24 Bausteine und tauschten einige davon gegen andere Aminosäuren aus, so dass sich die positive Ladung der Molekülkette erhöhte.

Von insgesamt 25 getesteten Peptiden erwies sich SAAP-148 als besonders vielversprechend. Es war in Laborversuchen – auch in Gegenwart von Blutserum – wirksam gegen multiresistente Staphylokokken und Enterokokken sowie verschiedene klinisch bedeutende Stäbchenbakterien, darunter Acinetobacter baumannii und Pseudomonaden. Auch nach längerer Kultivierung mit geringen Konzentrationen von SAAP-148 ließen sich keine gegen das Peptid resistenten Bakterienstämme nachweisen. Das Peptid tötete in der Laborkultur auch Staphylococcus aureus und Acinetobacter baumannii in Biofilmen ab und war gegen Persister-Zellen von Staphylokokken wirksam. Schließlich behandelten die Forscher eine Gewebekultur infizierter menschlicher Haut mit einem Gel, dem SAAP-148 zugesetzt war. Nach vier Stunden waren multiresistente Staphylokokken (MRSA) oder Acinetobacter-Bakterien vollständig eliminiert. Dabei kam es zu keiner erkennbaren Schädigung der Hautzellen. Die Behandlung experimentell infizierter Schürfwunden von Mäusen lieferte ähnliche Ergebnisse.

Die Wissenschaftler hoffen, ihren neuen Wirkstoff schon bald zur lokalen Behandlung hartnäckiger Hautinfektionen einsetzen zu können – auch bei infizierten Brandwunden und diabetischen Geschwüren. Eine erste klinische Studie dazu ist noch für Anfang dieses Jahres geplant. Vor einem Einsatz zur Therapie von Infektionen im Körperinneren sei es nötig, eine geeignete Form der Verabreichung, zum Beispiel mit Hilfe spezieller Wirkstoffkapseln, zu entwickeln.

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