Abnehmen macht gesund – aber nicht glücklich

Übergewichtige und Fettleibige, die ihr Körpergewicht verringern, leiden verstärkt unter depressiven Störungen
Abnehmen bei Übergewicht ist gesund, kann aber mit psychischen Belastungen verbunden sein.
Abnehmen bei Übergewicht ist gesund, kann aber mit psychischen Belastungen verbunden sein.
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London (Großbritannien) - Wenn Übergewichtige abnehmen, verbessert sich nicht automatisch auch ihr psychisches Befinden. Die Ergebnisse einer britischen Studie zeigen jetzt sogar einen genau gegenteiligen Zusammenhang: Sank das Körpergewicht, zeigten die Testpersonen häufiger depressive Störungen als diejenigen, die nicht abgenommen hatten, berichten die Forscher im Fachblatt „PLoS One”. Ob tatsächlich das Abnehmen die Psyche negativ beeinflusst oder umgekehrt psychische Probleme eine Gewichtsabnahme verursachen, lässt sich aus dieser Studie aber nicht schließen. Während für Übergewichtige der Nutzen einer Gewichtsabnahme für die körperliche Gesundheit unbestritten ist, sind die Auswirkungen auf die Psyche bisher nur ungenügend erforscht.

„Wir wollen niemanden entmutigen, der versucht abzunehmen. Aber die Leute sollten nicht erwarten, dass ein Gewichtsverlust sofort alle Aspekte des Lebens verbessert“, sagt Sarah Jackson aus dem Forscherteam von Jane Wardle am University College London. Es erfordere nun mal eine beträchtliche Willenskraft, den ständigen Versuchungen einer ungesunden Ernährung zu widerstehen. Der damit verbundene Verzicht auf so manche angenehmen Aktivitäten könne das allgemeine Wohlbefinden und die Psyche beeinträchtigen, so Jackson.

Für ihre Untersuchung wählten die Forscher aus den Teilnehmern einer großen britischen Langzeitstudie 1979 Personen aus, die übergewichtig oder fettleibig und mindestens 50 Jahre alt waren. Darunter waren keine Menschen, die unter schweren Erkrankungen oder depressiven Störungen litten. Im Verlauf von vier Jahren verloren 278 Probanden fünf Prozent ihres Körpergewichts oder mehr. Deren durchschnittlicher Gewichtsverlust lag bei 6,8 Kilogramm. Standardisierte Fragenkataloge dienten dazu, Depressionen zu diagnostizieren und das allgemeine Wohlbefinden zu bewerten.

Bei denen, die abgenommen hatten, traten depressive Störungen mit einer um 78 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit auf als bei denen mit mehr oder weniger stabilem Körpergewicht. Auch wenn die Forscher eine Scheidung oder Todesfälle im Studienzeitraum berücksichtigten – solche Lebenskrisen können sowohl Depressionen als auch Gewichtsverlust verursachen – blieb der Zusammenhang bestehen. Die Verschlechterung des generellen Wohlbefindens war weniger stark ausgeprägt. Dagegen sanken Blutdruck und Blutfettwerte nach der Gewichtsabnahme, was mit einem geringeren Herzinfarktrisiko verbunden ist.

Frühere klinische Studien waren zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen. Teilnehmer, die ein kontrolliertes Programm zur Verringerung des Körpergewichts erfolgreich absolviert hatten, fühlten sich auch psychisch besser als die anderen. Ursache dafür, so die Autoren, könnte die Betreuung und gegenseitige Unterstützung in der Gruppe gewesen sein und nicht das Abnehmen selbst. Dafür spräche, dass der positive Effekt auf die Psyche bereits eintrat, bevor das Körpergewicht deutlich gesunken war. Außerdem ergab sich keine Beziehung zwischen dem Ausmaß des Abnehmens und dem psychischen Zustand.

Wer auf eigene Faust abnehmen will, muss also auf verstärkte psychische Belastung gefasst sein – zumindest vorübergehend. Denn wenn sich das Körpergewicht auf einem niedrigeren Niveau stabilisiert hat, könnte sich auch die Stimmung wieder verbessern, vermuten die Forscher. Um diese Möglichkeit zu prüfen, seien längere Studien nötig. Die vorliegenden Daten erlauben streng genommen keine Aussage darüber, was Ursache und was Wirkung ist. So können depressive Störungen zu Gewichtsverlust führen, da der Appetit nachlässt und die körperliche Aktivität abnimmt. In neuen Studien mit häufigeren Messungen sollte daher untersucht werden, ob vermehrte Depressionen bereits vor oder erst nach einem deutlichen Gewichtsverlust auftreten. Es wäre zudem auch möglich, dass Abnehmen und Depressionen auf eine gemeinsame, noch nicht erkannte Ursache zurückzuführen sind.

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