Im Ernst

Hirndoping erlaubt

Nobelpreise mit Neuro-Enhancement


Von Joachim Czichos

Wenn ein Radfahrer ohne Doping genauso schnell ist, wie der andere mit, wer ist dann der bessere Sportler? Doch wohl der, der es ohne künstliche Hilfsmittel geschafft hat. Aber wenn ein Maler im Drogenrausch ein großes Kunstwerk schafft, fragt da hinterher jemand, wie es zustande gekommen ist? Wie viele Romane, Kurzgeschichten oder Glossen verdanken ihre Existenz – oder zumindest ihre Qualität – der Droge Nikotin? Wie viele Schriftsteller und Journalisten brauchen ein Mindestmaß an Alkohol oder ein Übermaß an Koffein, um besser zu sein als die anderen?

In einer Online-Umfrage der Fachzeitschrift "Nature", an der sich 1400 Wissenschaftler aus 60 Ländern beteiligt hatten, gab jeder fünfte zu, schon mal konzentrationssteigernde Medikamente wie Ritalin oder Modafinil eingenommen zu haben. Aber wenn die nächsten Nobelpreise vergeben werden, wen interessiert es dann noch, ob und welche Aufputschmittel bei der Forschung mit im Spiel gewesen sind? Wenn man um die Wette läuft, sind Blut- und Muskeldoping nicht erlaubt. Wenn man um die Wette forscht, fordert niemand Blutkontrollen auf Hirndoping.

Ein wissenschaftlicher Durchbruch, ein fantastisches Gemälde oder ein großer Roman behalten für die Öffentlichkeit ihren Wert, unabhängig davon, wie sie entstanden sind. Ein sportlicher Sieg dagegen, bei dem Medikamente nachgeholfen haben, wird nachträglich aberkannt. Die mittelmäßige Leistung, auch wenn sie ganz ohne Stimulantien erbracht wurde, bleibt eben nur eine mittelmäßige Leistung. Was hätte zum Beispiel aus diesem Text werden können, wenn nicht der Autor die Selbstdisziplin aufgebracht hätte, jeder Form von pharmakologischem Neuro-Enhancement zu widerstehen?


Ihre Meinung dazu direkt an den Autor: Joachim Czichos


 

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