Wo die Wiege der Landwirtschaft stand

Ausgrabungen im Westen des Irans zeigen, dass sich die Landwirtschaft nicht an einem, sondern vielen Orten entwickelt hat
Vergrößerung eines Korns von wilder Gerste aus dem Zagros-Gebirge
Vergrößerung eines Korns von wilder Gerste aus dem Zagros-Gebirge
© TISARP
Tübingen /Chogha Golan (Iran) - Der „fruchtbare Halbmond“ ist eine Region im Nahen Osten, die sich vom westlichen Iran bis zum östlichen Mittelmeer erstreckt. In dieser „Wiege der Zivilisation“ entwickelten sich nicht nur erste Hochkulturen, sondern auch die Landwirtschaft. Dass dies nicht nur an einem Ursprungsort geschah, sondern in der gesamten Region, beschreibt jetzt ein deutsch-iranisches Forschungsteam in der Wissenschaftszeitschrift „Science“. Die Archäologen hatten am Zagros-Gebirge im westlichen Iran gegraben - einem Gebiet, das aus politischen und militärischen Gründen lange Zeit tabu war. Dabei fanden sie Wildformen und erste domestizierte Varianten von Weizen, Gerste, Linsen und Erbsen.

„Die Menschen begannen in verschiedenen Regionen des fruchtbaren Halbmonds ungefähr zur gleichen Zeit mit der Kultivierung dieser Pflanzen“, sagt Simone Riehl. Die Privatdozentin von der Universität Tübingen hatte zusammen mit ihren deutschen Kollegen und Wissenschaftlern vom „Iranian Centre for Archaeological Research“ die Pflanzen-Überreste der Ausgrabungsstätte in Chogha Golan analysiert. Die Funde aus der Jungsteinzeit decken ungefähr einen Zeitraum von 12.000 bis 9.800 Jahren vor unserer Zeit ab. Dabei belegen die reichhaltigen Artefakte und botanischen Entdeckungen, dass die frühen Bewohner dieser Region genau zu dieser Zeit begannen, Getreide für den Anbau zu domestizieren. Es handelt sich also um die Periode, in der die Menschen den Übergang von Sammlern zur Landwirtschaft vollzogen.

Wegen der Konflikte in der Golfregion war der östliche fruchtbare Halbmond im Gegensatz zu den westlichen Gebieten bisher nur wenig untersucht. Die aktuellen Funde belegen nun, dass die Menschen im Osten zur gleichen Zeit Getreide anbauten wie im Westen des Halbmonds. Damit leisteten die Bewohner in dieser Region wahrscheinlich ebenfalls einen maßgeblichen Beitrag zur Entwicklung der jungsteinzeitlichen Kultur. Wie sich die Domestizierungs- und Anbaustrategien dann über den gesamten fruchtbaren Halbmond ausgebreitet haben, wird derzeit noch diskutiert. Denkbar wäre eine Weitergabe der Ideen zwischen den Menschen ebenso wie Tauschgeschäfte oder die Migration einzelner Stämmen, die ihre Pflanzen einfach mitnahmen.

„Eine große Menge von Getreide-Spreu weist außerdem darauf hin, dass die Menschen zu dieser Zeit ihre Ernte bereits verarbeiteten“, ergänzt Riehl. Nach ihrer Meinung könnten Mörser und Mahlsteine dazu gedient haben, die Getreidekörner in eine Art Mehl oder Grütze zu verwandeln. Möglicherweise seien weitere Schritte wie Kochen oder Rösten erfolgt. Allerdings schränken die Autoren auch ein, dass die Mahl- und Schleifgeräte eventuell für andere Zwecke eingesetzt wurden. Um diese und weitere Fragen zu klären, wollen die Forscher nun ihre Funde weiter untersuchen, die immerhin 2000 Jahre der frühesten Landwirtschaft repräsentieren.

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