Wildes Rennen im Laufrad

Laufradaktivitäten sind kein Laborphänomen und Anzeichen von Verhaltensstörungen: Auch Mäuse in freier Wildbahn suchen ein Laufrad auf und drehen gerne eine Runde
Labormaus im Laufrad
Labormaus im Laufrad
© Salk Institute for Biological Studies
Leiden (Niederlande) - In vielen Labors rennen Mäuse im Dienst der Wissenschaft Runde um Runde in Laufrädern. So werden im Tierversuch die Auswirkungen sportlicher Betätigung auf die Gesundheit untersucht. In Frage stand bisher dabei, ob das Rennen im Laufrad überhaupt einer natürlichen Verhaltensweise der Tiere entspricht oder ob es sich vielmehr um eine Verhaltensstörung handelt, die lediglich in Gefangenschaft auftritt. Dem ist offenbar nicht so, legen jetzt Feldexperimente niederländischer Forscher nahe. Indem sie Laufräder in freier Wildbahn platzierten und mit Hilfe von Videokameras beobachteten, stellten sie fest: Laufradaktivitäten sind kein Laborphänomen, denn auch wilde Mäuse rennen im Laufrad. Die Nager drehen vollkommen freiwillig die ein oder andere Runde, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences“. Die Freude an der spielerischen Bewegung könnte die Tiere dazu motivieren. Die Laufräder lockten übrigens nicht nur Mäuse an, sondern auch Ratten, Frösche und sogar Schnecken zeigten Interesse.

„Die Forschung zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Sport stützt sich auf den Einsatz von Laufrädern“, schreiben Johanna H. Meijer und Yuri Robbers von der Universität Leiden zu den Hintergründen ihrer Untersuchungen. „Und für solche Forschungsarbeiten könnte es problematisch sein, wenn das Verhalten, im Laufrad zu rennen, eher stereotyp als frei gewählt wäre.“ Würde dem Rennen im Laufrad bei Labormäusen tatsächlich eine Verhaltensstörung zugrunde liegen, wäre fraglich, ob beziehungsweise in welchem Ausmaß die Ergebnisse aus so gestalteten Versuchen überhaupt Aussagekraft besitzen.

Die beiden Forscher wollten daher überprüfen, ob auch wild lebende Mäuse Aktivität im Laufrad zeigen – sofern sie eines zur Verfügung haben. Dazu hatten sie über mehrere Jahre hinweg an zwei Standorten in freier Wildbahn, in deren Umgebung Mäuse lebten, ein Laufrad aufgestellt: einmal in einem weitläufigen grünen Stadtgebiet und einmal in einem abgelegenen Dünengebiet, das der Öffentlichkeit nicht zugänglich war. Die Laufräder mit einem Durchmesser von 24 Zentimetern befanden sich dabei jeweils in einem geräumigen Käfig, der für Wildtiere bis zur Größe einer Ratte frei zugänglich war. Futter sollte die Tiere anlocken. Aktivitäten rund um den Käfig und das Laufrad wurden mit Hilfe von Kameras und Bewegungssensoren aufgezeichnet.

An beiden Standorten beobachteten die Forscher zahlreiche Laufradaktivitäten: Auf rund 200.000 Filmaufnahmen von tierischen Besuchern der Versuchsstellen fanden sie mehr als 12.000 Sequenzen, in denen sich das Rad in Bewegung setzte. In der Stadt wurde allein in den ersten 24 Monaten der Feldexperimente 1011-mal im Laufrad gerannt, in 734 der Fälle waren es Mäuse. In den Dünen suchten Tiere die sportliche Aktivität innerhalb von 20 Monaten 254-mal; 232 davon waren Mäuse. Wenn es nicht Mäuse waren, die sich im Laufrad tummelten, dann handelte es sich unter anderem um Ratten, Schnecken mit Haus, Nacktschnecken oder Frösche. Bei Schnecken mit Haus allerdings war eher planlose als zielgerichtete Aktivität zu erkennen, weshalb diese ebenso von den Auswertungen ausgeschlossen wurden wie jene Fälle, in denen die Tiere das Laufrad von außen in Bewegung gesetzt hatten.

Manchmal schienen Tiere das Laufrad eher unbeabsichtigt benutzt zu haben. Doch bei Mäusen, Spitzmäusen, Ratten und auch Fröschen beobachteten die Forscher sogar, dass die Tiere das Rad verließen und innerhalb weniger Minuten wieder aufsuchten und erneut eine Runde drehten. Insbesondere bei Mäusen waren es auffällig häufig Jungtiere, die sich im Rad tummelten. „Unsere Studie legt nahe“, fassen Meijer und Robbers zusammen, „dass das Rennen im Laufrad bei wilden Tieren in der freien Natur ein freiwilliges Verhalten sein kann.“

Denkbar ist allerdings, dass die Mäuse nur deshalb im Laufrad rannten, weil sie mit dem nahestehenden Futter belohnt wurden. Das überprüften die Forscher, indem sie in weiteren Beobachtungen das Futter schlicht wegließen. Dann suchten zwar insgesamt weniger Mäuse die Laufräder auf, doch von denjenigen, die kamen, nutzte der größere Teil tatsächlich das Laufrad. Das Rennen im Laufrad, vermuten die beiden Forscher, könnte für die Tiere ebenso eine Belohnung darstellen wie das Futter. Die Befriedigung des Spieltriebs könnte dabei als Motivation zum Beispiel eine Rolle spielen.

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