Wie probiotische Darmbakterien Entzündungen hemmen

Bestimmte Polysaccharide der Zellwand von Bifidobakterien bewirken eine verstärkte Produktion regulatorischer T-Zellen, die Immunreaktionen unterdrücken
Übertragene Bifidobacterium bifidum-Bakterien (rot) haben innerhalb von drei Wochen den Darm keimfrei aufgezogener Mäuse besiedelt.
Übertragene Bifidobacterium bifidum-Bakterien (rot) haben innerhalb von drei Wochen den Darm keimfrei aufgezogener Mäuse besiedelt.
© Verma et al., Sci. Immunol. 3, eaat6975 (2018)
Pohang (Korea) - Unser Immunsystem registriert, welche Arten von Bakterien sich im Darm vermehren. Einige Keimarten können Entzündungsreaktionen auslösen, während andere entzündungshemmend wirken. Daher versucht man, entzündliche Darmerkrankungen dadurch zu behandeln, dass man probiotische Darmbakterien verabreicht, die Abwehrreaktionen des Immunsystems unterdrücken. Koreanische Biologen haben jetzt herausgefunden, worauf diese positive Wirkung im Fall von Bifidobacterium bifidum beruht: Bestimmte Bestandteile der Zellwand der Bakterien verstärken die Produktion entzündungshemmender Immunzellen in der Darmwand, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Science Immunology“. Die nun identifizierten bakteriellen Polysaccharide könnten sich für die Behandlung chronischer Darmentzündungen besser eignen als Präparate lebensfähiger probiotischer Bakterien.

Im Vergleich zu gesunden Menschen haben Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen geringere Keimzahlen an Bifidobakterien im Darm, schreiben die Forscher um Sin-Hyeog Im von der University of Science and Technology in Pohang. Diese Bakterien besiedeln schon sehr früh und in großer Zahl den Darm von gesunden, mit Muttermilch ernährten Neugeborenen und unterstützen die Entwicklung einer normalen Darmflora. Ein Mangel an Bifidobakterien kann bei Kleinkindern auch das Risiko für Allergien erhöhen, was sich durch Verabreichung der probiotischen Bakterien vermeiden lässt. Frühere Untersuchungen hatten bereits gezeigt, dass verschiedene Arten von Darmkeimen – darunter Clostridien, Bacteroides fragilis und Bifidobacterium bifidum – die Produktion sogenannter regulatorischer T-Zellen im Darm anregen. Diese Immunzellen dämpfen Abwehrreaktionen des Immunsystems und verhindern damit die Entstehung von Autoimmunkrankheiten und chronischen Entzündungen.

Mit Hilfe von Zellkulturen testeten die Forscher zahlreiche Stämme probiotischer Bakterien auf ihre Fähigkeit, die Bildung regulatorischer T-Zellen zu verstärken. Dabei erwies sich ein Stamm von Bifidobacterium bifidum als besonders effektiv. Wenn diese Bakterien in den Darm keimfrei aufgezogener Mäuse übertragen wurden, bewirkten sie innerhalb von drei Wochen eine gesteigerte Produktion der hemmenden Immunzellen und senkten das Risiko einer Darmentzündung stärker als andere übertragene Bakterien. Wie chemische Analysen ergaben, war dafür eine Oberflächenstruktur der bakteriellen Zellwand verantwortlich, die aus speziellen Polysacchariden bestehen. Solche Glucane und Galactane sind ähnlich wie Zellulose oder Stärke aus langen Ketten von Zuckermolekülen aufgebaut.

Die Polysaccharide lösten dieselben Immunreaktionen aus wie die Bifidobakterien. Sie aktivierten zunächst dendritische Zellen, einen besonderen Typ von Immunzellen, die dann durch Freisetzung von Botenstoffen die Produktion regulatorischer T-Zellen ankurbelten. In Versuchen mit Mäusen linderte die Behandlung mit den Polysacchariden den Verlauf einer Darmentzündung. Anstatt lebensfähige probiotische Bakterien zu verabreichen, könnte es also genügen, Zellwandbestandteile dieser Bakterien einzusetzen, um anhaltende Entzündungsreaktionen im Darm zu verhindern oder Erkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn zu behandeln.

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