Wie das Immunsystem Pilzinfektionen im Mund abwehrt

Das von Candida albicans-Hefen freigesetzte Toxin Candidalysin aktiviert spezielle Immunzellen, die den Botenstoff Interleukin-17 produzieren und damit die Immunabwehr ankurbeln
Invasive Candida albicans-Hefen bilden Hyphen, die das Toxin Candidalysin freisetzen.
Invasive Candida albicans-Hefen bilden Hyphen, die das Toxin Candidalysin freisetzen.
© Bernhard Hube, University of Jena, Germany
Pittsburgh (USA) - Hefen wie Candida albicans zählen zu den meist harmlosen Besiedlern der Mundschleimhaut. Wenn die einzelligen Pilze allerdings hyphenartige Fortsätze bilden, können sie invasiv werden und eine Infektion auslösen, die als Candidose oder Soor bezeichnet wird. Doch die angeborene Immunabwehr des gesunden Menschen erkennt die Gefahr rechtzeitig und zwar an einem von den Hyphen produzierten Toxin, wie amerikanische Mediziner jetzt herausgefunden haben. Das sogenannte Candidalysin erzeugt Löcher in der Membran der Epithelzellen, die den Mund- und Rachenraum auskleiden. Dieser Angriff bewirkt, dass die Zellen Botenstoffe freisetzen, die Immunzellen aktivieren, so dass die Infektion abgewehrt werden kann, berichten die Forscher im Fachblatt „Science Immunology“. Der jetzt aufgeklärte Mechanismus soll dazu beitragen, Methoden zu entwickeln, um besonders gefährdete Menschen wie Kleinkinder mit unreifem und Patienten mit geschwächtem Immunsystem vor Pilzinfektionen zu schützen.

Es sei bisher unklar geblieben, warum Candida-Hefen keine invasive Infektion bei gesunden Menschen auslösen können, sagt Sarah Gaffen von der University of Pittsburgh. Ihr Forscherteam hatte bereits festgestellt, dass das Immunsystem eine Mykose durch Candida albicans im Mund nur dann verhindern kann, wenn spezielle Immunzellen vom Typ der T-Helferzellen aktiv werden und den Botenstoff Interleukin-17 (IL-17) produzieren. Doch was diese Aktivität auslöst, war noch nicht bekannt. In Experimenten mit Mäusen und Kulturen menschlicher Zellen konnten die Forscher zunächst ausschließen, dass Zellwandstrukturen der Hefen die Immunabwehr aktivieren.

Erst das von den Pilzhyphen freigesetzte Candidalysin setzte die Abwehrreaktion in Gang. Die beginnt damit, dass die durch das Toxin geschädigten Epithelzellen chemische Alarmsignale erzeugen. Diese regen T-Helferzellen dazu an, sich zu vermehren und den Botenstoff IL-17 zu bilden, der synergistisch mit dem Toxin die Reaktionen der Pilzabwehr verstärkt. „Die Immunantwort wird ein kleines bisschen durch IL-17 angeregt und ein kleines bisschen durch Candidalysin, aber sie wird sehr stark angeregt, wenn beide gleichzeitig wirksam sind“, erklärt Gaffen. Aus Sicht der Hefen ist es also vorteilhaft, solange der Wirt gesund ist, keine Hyphen und kein Toxin zu bilden. Denn dann wird der Pilz von der Immunabwehr ignoriert und kann als Teil der normalen Mundflora überdauern.

Besonders anfällig für Candida-Mykosen in Mund und Rachen sind neben Kleinkindern Menschen mit Zahnprothesen und Patienten mit Immunschwäche (bei AIDS, nach einer Chemotherapie oder nach einer Organtransplantation). „Invasive Pilzinfektionen töten weltweit etwa 1,5 Millionen Menschen pro Jahr. Das sind dreimal so viel, wie an Malaria und fast genauso viel wie an Tuberkulose sterben“, sagt Julian Naglik vom King's College London, Mitautor und Entdecker des Candidalysins. „Es gibt noch keine zugelassenen Impfstoffe gegen Pilzinfektionen“, sagt Gaffen. Und selbst wenn es sie gäbe, würden sie den Erkrankten wenig nützen, da diese Patienten ein geschädigtes Immunsystem haben. Aber möglicherweise wären neue Medikamente, die zum Beispiel die Wirkung des Candidalysins blockieren, für eine Therapie einsetzbar.

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