Wenn Plastik laufen lernt
Der Prototyp eines laufenden Roboters, den die Gruppen um Arri Priimägi an der Universität Tampere und um Olli Ikkala an der Aalto Universitätin Espoo bei Helsinki konzipiert haben, sieht noch sehr unscheinbar aus. Er besteht aus einem dünnen, etwa zwei Zentimeter langen Streifen aus einem Polymer-Netzwerk mit eingelagerten Flüssigkristallen und Farbstoffmolekülen. Wird dieser Streifen auf über 40 Grad Celsius erwärmt, krümmt er sich. Wieder abgekühlt, nimmt er wieder seine ursprüngliche Form an. Wird er abwechselnd erwärmt und abgekühlt, kann er wie ein kleiner Wurm etwa einen Millimeter pro Sekunde vorankriechen.
Zu Beginn der Experimente reagierte der Roboterwurm auf rote Lichtpulse überhaupt nicht. Das änderte sich jedoch, wenn er mehrmals gleichzeitig aufgeheizt und parallel mit Licht bestrahlt wurde. Nach dieser „Lernphase“ reichten nur noch rote Lichtpulse aus, um den Kunststoff-Streifen in Bewegung zu versetzen. Diesen verblüffenden Effekt erklären die Forscher mit einer selbstständigen Neuanordnung der Flüssigkristalle und Farbstoffmoleküle. Vor allem die Farbstoffmoleküle verteilten sich während der Lernphase gleichmäßiger über den gesamten Kunststoff-Streifen. Dadurch wurde eingestrahltes Licht um ein Vielfaches effizienter absorbiert und in Wärme umgewandelt. Diese Wärme schließlich reichte aus, um den Streifen bis zu einem rechten Winkel zu krümmen. Ein zusätzliches Aufheizen war nicht mehr nötig.
Der Vorteil: Mit einer Sequenz von Lichtpulsen lässt sich die Krümmung des Kunststoffs sehr viel einfacher kontrollieren als über ein Aufheizen. Priimägi und Ikkala kombinierten auch bereits verschiedene lichtaktive Materialien, um mit blauen oder roten Lichtpulsen jeweils andere mechanischen Bewegungen anzuregen. Dieses Konzept, wärmeaktiven Werkstoffen eine Reaktion auf Lichtpulse „beizubringen“ hat damit das Potenzial, um komplexere, weiche Roboter zu entwickeln. „Diese steuerbaren Netzwerke aus Flüssigkristallen verhalten sich wie künstliche Muskeln“, sagt Priimägi. Und er kann sich in Zukunft viele Anwendungen etwa im biomedizinischen Bereich oder auch in der Photonik vorstellen.