Was Würmer an die Erdoberfläche treibt

Wurmflüsterer in den Sümpfen der USA locken ihre Angelköder durch Vibrationen - die richtige Frequenz imitiert einen Maulwurf
Dem Maulwurf entkommen und am Ende doch nur Fischfutter
Dem Maulwurf entkommen und am Ende doch nur Fischfutter
© Sasse
Nashville (USA) - Ist es die Illusion von Regentropfen, die Würmer an die Erdoberfläche lockt, wenn es an der Oberfläche klopft oder vibriert - geradewegs in den Schnabel der Möwe oder den Ködereimer der Angler hinein? Nein, es ist eine Fluchtreaktion vor Maulwürfen, sagt ein US-Forscher. Er untersuchte die Schwingungsfrequenzen, mit denen sich manche Erdwürmer (Diplocardia mississippiensis) am erfolgreichsten aus dem Boden locken lassen. Sie ähneln den Vibrationen krabbelnder Maulwürfe, aber nicht denen des Regens. Rund um die Welt sind Vögel und andere Tiere darauf spezialisiert, schmackhafte Würmer aus dem Boden zu klopfen. Menschen, die die Würmer meist als Angelköder nutzen, schwören auf unterschiedliche Techniken. Im Süden der USA, aber auch in Großbritannien gibt es Meisterschaften im "Wurmgrunzen" und "Wurmbeschwören".

"Erdwürmer haben eine ausgeprägte Fluchtreaktion vor Maulwürfen, die daraus besteht, schnell ihre Löcher zu verlassen und über die Erdoberfläche zu fliehen", schreibt Kenneth Catania, Biowissenschaftler an der Vanderbilt University. Der Spezialist für tierische Sensorsysteme hatte sich in die Sümpfe des Apalachicola National Forest in Florida begeben, wo "Wurmgrunzer" ihre Tradition von Generation zu Generation weitergeben. Sie treiben einen Holzpflock in die Erde und versetzen in mit einer reibenden Stahlstange in Schwingungen. Catania zeichnete zunächst diese Vibrationen unter der Oberfläche mithilfe von Geophonen auf. Die richtige Frequenz lockte Würmer im Umkreis von mehr als zehn Metern aus der Erde, je näher am Pflock, desto mehr. Erst nach vier und fünfzehn Minuten krochen die Tiere wieder abwärts.

In mehreren Versuchscontainern mit Erde, Würmern und einem Tunnel für den heimischen Maulwurf (Scalopus aquaticus) simulierte Catania dann das passende Umfeld. Der krabbelnde Jäger - oder auch nur Aufnahmen des Geräusches - trieb die Würmer tatsächlich nach oben, ein simulierter Regen allerdings nicht. Das widerlegte die These, dass Würmer aus Angst vor dem Ertrinken ihre Löcher verlassen. Beim Frequenzvergleich zeigte sich dann: Die Maulwürfe erzeugen eine breites Vibrationsspektrum mit einem Peak bei etwa 200 Hertz, es überlappt sich aber deutlich mit dem schmaleren Spektrum der Wurmgrunzer, welches sich auf etwa 80 Hertz konzentriert. Offenbar, schreibt Catania, spielen Menschen wie Watvögel oder andere Wurmlocker an der Oberfläche die Rolle eines "seltenen Jägers", der für die Würmer weniger gefährlich ist als der Maulwurf unter der Erde. Der Forscher vermutet, dass der von ihm nun belegte Fluchtmechanismus unter Bodenbewohner weit verbreitet sein könnte.

PLoS One, Vanderbilt University
Quelle: "Worm Grunting, Fiddling, and Charming-Humans Unknowingly Mimic a Predator to Harvest Bait", Kenneth Catania; PloS ONE, veröffentlicht 14.10.08
DOI: 10.1371/journal.pone.0003472


 

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