Typische kriminelle Karrieren gibt es nicht
„Es gab zwischen alle Gruppen Überschneidungen, was bedeutet, dass eine Kategorisierung aus kriminologischer Perspektive eine bedeutungslose und willkürliche Übung ist“, sagt Volker Grundies vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht. Er hatte die Daten von rund 21.000 straffällig gewordenen Männern des Geburtenjahrgangs 1970 über acht Jahre hinweg untersucht. Um die Vorhersagen der verschiedenen Theorien zu testen, nutzte er eine besondere statistische Methode. Diese versucht, Straftäter, deren Karrieren sich über die Zeit ähnlich entwickelt haben, einer Gruppe zuzuordnen. Das Ergebnis: Die gefundenen Gruppen überlappten sich und machten inhaltlich schlichtweg keinen Sinn.
Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zu den gängigen Theorien der Entwicklung kriminellen Verhaltens. „Zuerst war ich selbst frustriert, aber dann fragte ich mich, was der Grund dafür sein könnte, und fand das Ergebnis sehr spannend“, sagt Volker Grundies. Es bestätigt nämlich seine eigene Theorie dazu, wie kriminelle Karrieren beginnen: als Ungleichgewicht zwischen Individuum und Gesellschaft. „Auch wenn sich ein solches Ungleichgewicht besonders in jungem Alter anhäuft, ist die fehlende Struktur in den Verläufen ein Hinweis darauf, dass dieses Ungleichgewicht sich im Grunde in jedem Alter einstellen kann.“