Tsunami-Warnung aus dem Orbit
„Das magnetische Signal einer ein Meter hohen Tsunamiwelle auf offener See schätzen wir auf etwa zehn Nanotesla“, sagt Benlong Wang von der Shanghai Jiao Tong University. Verglichen mit dem Erdmagnetfeld mit einer Stärke von etwa 40.000 Nanotesla ist das zwar sehr gering, doch können empfindliche Magnetfeldsensoren diese Schwankungen auch aus größerer Entfernung erkennen. Dazu analysierte Wang zusammen mit seinem Kollegen Hua Liu verfügbare Magnetfelddaten, die während der Tsunamis 2003 vor Sumatra und 2010 vor Chile aufgenommen wurden. Die kleinen Schwankungen des Erdmagnetfelds reichten den Forschern, um daraus im Nachhinein die Höhe der Tsunamiwelle auf offener See bestimmen zu können.
Die physikalische Grundlage dieser Methode liegt im Einfluss elektrisch leitfähiger Teilchen auf ein Magnetfeld. Im Meerwasser gelöste Salze verursachen die notwendige Leitfähigkeit. Bewegt sich nun eine Welle schnell genug, können messbare Schwankungen des Magnetfelds induziert werden. Die Geschwindigkeit von Tsunamiwellen hängt direkt mit der Wassertiefe zusammen und kann bei etwa 5.000 Metern bis zu 800 Kilometer pro Stunde erreichen.
Manoj Nair, Geophysiker an der University of Colorado steht dieser Vorwarnmethode allerdings skeptisch gegenüber. „Zeitliche Variationen des Erdmagnetfelds könnten das Tsunamisignal durchaus überdecken“, sagt er. Weitere Analysen sind daher nötig, um das Potenzial von Magnetfeldmessungen weiter ausloten zu können. Diese planen Wang und Liu anhand von Tsunami- und Magnetfelddaten im Pazifik im Bereich rund um die Osterinseln. Erst danach wollen sie einen Praxistest ins Auge fassen, bei dem Satelliten in einem erdnahen Orbit oder Luftschiffe über gefährdeten Meeresregionen eine permanente Magnetfeld-Überwachung übernehmen könnten.