Suppenschildkröte: Paarungsverhalten mildert Folgen der Klimaerwärmung

Vielweiberei und Reiselust der Männchen puffert die Bedrohung der Art ab, denn aufgrund steigender Temperaturen schlüpfen überwiegend Weibchen
Penryn (Großbritannien ) - Männliche Suppenschildkröten müssen sich vermutlich ganz schön ins Zeug legen, um massivem Frauenüberschuss Herr zu werden. Ob sich aus einem Ei ein Weibchen oder ein Männchen entwickelt, ist bei Reptilien nämlich oft wärmeabhägig. Bei höheren Temperaturen schlüpfen daher bei vielen Schildkrötenarten eher weibliche Babys. So ist das Ungleichgewicht der Geschlechter bei Suppenschildkröten mit einem Weibchenanteil von mitunter 95 Prozent schon jetzt extrem ausgeprägt. Es liegt auf der Hand, dass fortschreitende Klimaerwärmung dies auf die Spitze treiben und schließlich sogar das Ende der Art bedeuten könnte. Doch ein reiselustiges Paarungsverhalten der verhältnismäßig wenigen Männchen puffert die bestehende Bedrohung zu einem gewissen Teil ab, haben britische Biologen nun beobachtet. Trotz des massiven Weibchenüberschusses kommen im Schnitt 1,4 fortpflanzungsfähige Männchen auf jedes brütende Weibchen, berichten die Forscher im Fachblatt „Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences”. Die männlichen Schildkröten paaren sich demnach deutlich häufiger als ihre weiblichen Artgenossinnen, vermutlich über mehrere Gebiete und Jahre hinweg verteilt. Dank der Anstrengungen der Männchen könnten es die Reptilien schaffen, auch mit weiterer Temperaturerhöhung fertig zu werden – zumindest noch eine Zeit lang.

“Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die männlichen Fortpflanzungsintervalle kürzer sind als die zwei bis vier Jahre, die für Weibchen typisch sind“, schreiben Annette Broderick von der University of Exeter und ihre Kollegen. Sie halten außerdem für denkbar, dass sich die Schildkrötenmännchen zwischen unterschiedlichen Gruppen empfängnisbereiter Weibchen bewegen. Satellitengestützte Überwachung untermauert diese Annahme, dass Männchen unterschiedliche Kolonien besuchen. Mithilfe von Genanalysen bei Suppenschildkröten (Chelonia mydas) hatten die Forscher 2008 die Verwandtschaftsverhältnisse in einer Mittelmeer-Kolonie der Tiere unter die Lupe genommen. Im Jahr 2009 verfolgten sie außerdem über einen Zeitraum von 81 Tagen die Wege eines Männchens aus demselben Gebiet mithilfe von Satellitentechnologie.

Die Elternschaftsanalysen von mehr als 800 Nachkommen zeigten: Mindestens 28 Männchen hatten den Nachwuchs der 20 brütenden Weibchen gezeugt. Somit kamen 1,4 Herren auf eine Dame. Ein Männchen lässt sich in einer Kolonie allerdings offensichtlich immer nur mit einem Weibchen ein, denn Halbgeschwister vom selben Vater kamen nicht vor. Eine höhere Paarungsfrequenz der Männchen im Vergleich zu den Weibchen könnte dieses Ergebnis erklären. Auch die Beobachtungen per Satellit stützen diese Annahme, dass sich Männchen an verschiedenen Brutstätten paaren. Das überwachte Männchen reiste von Zypern entlang der türkischen Küste bis nach Ägypten und kam dabei zumindest theoretisch in die Nähe vieler Strände mit Kolonien von Suppenschildkröten. Weitere Erklärungsansätze wären etwa, dass die Weibchen das Sperma von Männchen speichern und später verwenden können, was bereits bei anderen Schildkröten beobachtet wurde. Außerdem könnte eine Rolle spielen, dass die Sterberate von Weibchen höher ist als die der Männchen, so dass das Ungleichgewicht im fortpflanzungsfähigen Alter nicht mehr ganz so massiv ist wie unmittelbar nach dem Schlüpfen.

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Quelle: „Turtle mating patterns buffer against disruptive effects of climate change”, Lucy I. Wright, Annette C Broderick et al.; Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, DOI:10.1098/rspb.2011.2285


 

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