Stickstoffmangel im Dickdarm begrenzt Vermehrung von Bakterien

„Die Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass wir im Lauf der Evolution eine Möglichkeit entwickelt haben, unsere Darmbakterien im Zaum zu halten, indem wir sie durch Stickstoffmangel hungern lassen“, sagt Lawrence David von der Duke University in Durham. Das erkläre auch, warum die stark fleischhaltige, und damit protein- und stickstoffreiche Ernährung in den westlichen Industrieländern die Darmflora schädigen könnte. Denn dadurch würde zu viel Stickstoff aus der Nahrung bis in den Dickdarm gelangen und so die normale Kontrolle der Mikrobenvermehrung durch begrenzte Stickstoffzufuhr verhindern.
Zunächst überprüften die Forscher ihre Vermutung, dass eine ungenügende Versorgung mit Stickstoff das Wachstum von Darmbakterien beeinträchtigt. In Kotproben von 30 Säugetierarten analysierten sie das jeweilige Verhältnis zwischen Kohlenstoff- und Stickstoffgehalt der Darmbakterien einerseits und des sonstigen Darminhalts andererseits. Es ergab sich in allen Fällen, dass die im Dickdarm verfügbaren stickstoffhaltigen Nährstoffe bei weitem nicht ausreichen, um eine optimale Vermehrungsrate zu ermöglichen. Dieser wachstumsbegrenzende Einfluss bestätigte sich in Fütterungsversuchen mit Mäusen: Eine vermehrte Stickstoffzufuhr in Form des Proteins Casein erhöhte die Gesamtzahl an Darmbakterien um das Zehnfache. Bei normaler Ernährung gelangen 80 bis 90 Prozent des in der Nahrung enthaltenen Stickstoffs bereits aus dem Dünndarm in das Blut. Um den restlichen Anteil konkurrieren dann die Mikroben im Dickdarm. Tatsächlich stellten die Biologen bei den Mäusen fest, dass sich der Stickstoffgehalt des Darminhalts über die gesamte Länge des Darmverlaufs immer weiter verringert.
Als die Forscher mit einem Stickstoffisotop markierte Aminosäuren in das Blut der Tiere injizierten, konnten sie einen Teil dieses Stickstoffs in den Darmbakterien nachweisen. Daraus schließen sie, dass die Mikroben nicht allein über den direkten Weg, also den Darminhalt, mit Stickstoff versorgt werden. Der Wirtsorganismus kann seine Darmflora offenbar auch füttern, indem er über die Darmschleimhaut Stickstoffverbindungen freisetzt. Damit verhindert er ein Absterben von Teilen seines Mikrobioms bei extremem Stickstoffmangel.
Weitere Untersuchungen ergaben, dass sich je nach verfügbarer Stickstoffmenge nicht nur die Gesamtzahl an Darmbakterien, sondern auch das Artenspektrum verändert. Eine gesunde Darmflora besteht aus Mikroben, die an dauerhaften Stickstoffmangel angepasst sind. Entsteht durch entsprechende Ernährung ein Überangebot an Stickstoff im Dickdarm, gewinnen andere Bakteriengruppen die Oberhand und der Wirt verliert die Möglichkeit, die Vermehrung zu kontrollieren. Das wäre nach Ansicht der Autoren vergleichbar mit der Eutrophierung eines Gewässers durch einen Überschuss an Nährstoffen, was ein massenhaftes Algenwachstum auslöst und eine Störung des ökologischen Gleichgewichts anzeigt. „Wenn wir die Konkurrenz der Darmmikroben um Nährstoffe beseitigen, verliert unser Körper die Fähigkeit zur Kontrolle, so dass sich Krankheitserreger leichter ausbreiten können“, sagt David. Ob neben Stickstoff auch andere essentielle Nährstoffe das Bakterienwachstum im Dickdarm begrenzen, sollen weitere Analysen zeigen.
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