Rollentausch: Käferlarve macht Jagd auf Frösche

Larven von Laufkäfern haben sich darauf spezialisiert, Amphibien anzulocken und aufzufressen
Wechselkröte (Pseudepidalea viridis, auch: Bufo viridis)
Wechselkröte (Pseudepidalea viridis, auch: Bufo viridis)
© Ivengo (RUS)
Tel Aviv (Israel) - Normalerweise frisst der Frosch das Insekt und nicht umgekehrt. Doch israelische Biologen haben jetzt einen einzigartigen Rollentausch zwischen Räuber und Beute entdeckt: Die Larven zweier Laufkäferarten ernähren sich ausschließlich von Amphibien. Sie locken ihre Beute an, beißen sich an ihrem Körper fest, saugen sie aus und verzehren ihr Opfer, bis nur noch ein Haufen Knochen übrig bleibt. Die Erfolgsquote der Jagdtechnik liegt bei hundert Prozent, schreiben die Forscher im Fachjournal "PLoS ONE".

"Interessanterweise zählen verwandte Käferarten zur üblichen Beute der Amphibien. Aber die Larven von Laufkäfern der Gattung Epomis haben die Fähigkeit entwickelt, ihrerseits Amphibien als Nahrungsquelle zu nutzen", sagt Gil Wizen von der Universität Tel-Aviv. Zusammen mit Avital Gasith untersuchte er in Laborexperimenten den Nahrungserwerb von Larven der beiden Spezies E. dejeani und E. circumscriptus, die in israelischen Küstenregionen vorkommen. Die Forscher setzten eine Amphibie (den Laubfrosch Hyla savignyi, den Wasserfrosch Pelophylax bedriagae, die Wechselkröte Pseudepidalea viridis oder einen Molch) in einen Behälter, in den sie bereits eine Larve platziert hatten. Das Insekt blieb zunächst bewegungslos, begann aber dann, seine Antennen und Kiefer in einem bestimmten Rhythmus zu bewegen. Je näher der Frosch kam, desto schneller wurden die Bewegungen. Offenbar lockte die Larve ihre Beute an, indem sie deren natürliches Jagdverhalten ausnutzte.

Der Versuch des Frosches, sich die Larve mit Hilfe der hervorschnellenden Zunge einzuverleiben, scheiterte in den meisten Fällen. Stattdessen nutzte die Larve diesen Moment, um auf den Körper des Frosches zu springen und sich dort festzubeißen. Sie ließ sich dann nicht mehr abschütteln, was sie ihren mit doppelten Haken versehenen Mundwerkzeugen verdankt. Die Larve begann sofort, Körperflüssigkeit aufzusaugen und verzehrte später auch sämtliche festen Bestandteile der Beute mit Ausnahme der Knochen. In der Wahl ihrer Beute waren beide Larvenarten nicht wählerisch, sondern griffen jede der angebotenen Amphibien an. Nur wenige Male kam es vor, dass der Frosch die Larve verschluckte, wonach sie meist sofort wieder ausgespuckt wurde. In einem der insgesamt 382 Versuche würgte der Frosch die Larve erst nach zwei Stunden wieder hervor. Auch in diesen Fällen fielen die unversehrten Larven anschließend über die Amphibien her.

Durch welche Mechanismen der Evolution sich der Rollentausch von Räuber und Beute bei diesen Laufkäfern entwickelt hat und wie das Insekt der schnellen Zunge entgeht, bleibt vorerst ein Rätsel. Eine verbreitete Strategie von Insekten, sich vor ihren Fressfeinden zu schützen, besteht in einer Tarnung oder der Produktion abschreckender Giftstoffe. In der Regel reagiert der Räuber auf erfolgreiche Verteidigungsmaßnahmen mit neuen Angriffstechniken, was zu einem biologischen Wettrüsten führt. Es kommt auch vor, dass die Verteidigung in einem Gegenangriff besteht - beispielsweise bei sozialen Insekten. Dass aber ein Beutetier im Lauf der Evolution zum Räuber wird und den ehemaligen Fressfeind selbst zur Beute macht, ist eine äußerst ungewöhnliche Entwicklung.

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Quelle: "An Unprecedented Role Reversal: Ground Beetle Larvae (Coleoptera: Carabidae) Lure Amphibians and Prey upon Them", Gil Wizen, Avital Gasith, PLoS ONE, doi: 10.1371/journal.pone.0025161


 

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