Rindenskorpione: Feige Männchen - kampfbereite Weibchen

„Der Gewichtsunterschied zwischen Männchen und den meist schwangeren Weibchen scheint zu erklären, warum sie sich in einer Kampf-oder-Flucht-Situation unterschiedlich verhalten“, sagt Bradley Carlson von der Pennsylvania State University in Pennsylvania. Sein Forscherteam untersuchte die Reaktion von Arizona-Rindenskorpionen (Centruroides vittatus) auf eine simulierte Bedrohung. Diese bestand darin, dass mit einem Stöckchen zwei Sekunden lang von oben Druck auf den Rücken der Tiere ausgeübt wurde. Eine Videokamera registrierte, ob, wie schnell und wie oft die Skorpione daraufhin ihren Giftstachel am Schwanzende einsetzten.
Alle 30 getesteten Weibchen stachen in den jeweils dreimal wiederholten Versuchen mindestens einmal zu, um den vermeintlichen Feind abzuwehren. Dagegen verteidigte sich jedes dritte Männchen gar nicht. Messungen des Körpergewichts ergaben: Je schwerer das Tier, desto wahrscheinlicher war – ganz unabhängig vom Geschlecht – der Einsatz des Giftstachels. Das im Schnitt größere Körpergewicht der Weibchen erklärt somit, warum sich beide Geschlechter in ihrer Kampfbereitschaft unterscheiden. Die Männchen hatten außerdem längere Beine als die Weibchen. Das trug neben dem geringeren Gewicht dazu bei, dass deren Lauftempo um 30 Prozent höher war. Bei den Männchen hat daher eine schnelle Flucht vor einem Angreifer mehr Aussicht auf Erfolg als bei den Weibchen, die sich häufiger dem Kampf stellen.
Während dieses unterschiedliche Aggressionsverhalten allein durch körperliche Unterschiede der Geschlechter zu erklären ist, spielte bei der Entwicklung eines anderen Merkmals wohl eher die sexuelle Selektion eine Rolle. Männchen haben im Vergleich zu Weibchen einen längeren Hinterleib, der dafür aber dünner ist und so die Laufleistung nicht beeinträchtigt. Die Länge des Schwanzes stand in keinem Zusammenhang mit dem Ausmaß an Aggression oder eines anderen Verhaltens des Männchens. Wahrscheinlich erhöht das Männchen durch einen möglichst langen Hinterleib seine Attraktivität für die Weibchen und damit seinen Fortpflanzungserfolg. Eine experimentelle Bestätigung für diese Vermutung steht allerdings noch aus.