Rauchen: Gesundheitsgefahr nach wie vor häufig unterschätzt
„Heutzutage weiß jeder, dass Rauchen ein Risikofaktor für unterschiedliche Arten von Krebs ist, insbesondere für Lungenkrebs“, erläutert Laurent Greillier, Onkologe am Hôpital Nord in Marseille. Es scheine allerdings so, dass die Leute der Gefahren von Tabak für die Gesundheit zwar kennen, aber nicht für sich selbst in Betracht ziehen, sondern nur für andere Leute. Greillier und seine Kollegen hatten die These aufgestellt, dass die Wahrnehmung des Erkrankungsrisikos für Krebs mit den eigenen Rauchgewohnheiten und dem Grad der Abhängigkeit zusammenhängen könnte – dass also zum Beispiel Raucher das Risiko im Vergleich zu Nichtrauchern als geringer einschätzen. Mit ihrer Studie wollten sie diese Annahme untersuchen und analysierten dazu die Daten von rund 1600 Franzosen im Alter zwischen 40 und 75 Jahren, die an einer Gesundheitserhebung teilgenommen hatten. Von gesunden 1463 Befragten, die nie Krebs gehabt hatten, waren 481 ehemalige Raucher, 330 rauchten aktuell im Schnitt etwa 14 Zigaretten am Tag. In Telefoninterviews machten die Teilnehmer Angaben über ihre Rauchgewohnheiten. Außerdem erfassten die Forscher, wie stark Raucher abhängig vom Nikotin waren.
Insgesamt meinte nur die Hälfte der aktuellen Raucher von sich selbst, dass sie im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung ein erhöhtes Risikos für Lungenkrebs haben. Zwar dachte die Mehrzahl der nikotinabhängigen Raucher tatsächlich, ein vergleichsweise höheres Risiko zu besitzen. Doch nur 37 Prozent derjenigen Raucher, die keine Zeichen von Abhängigkeit zeigten, nahmen dies ebenfalls an. Von den früheren Rauchern dachten 34 Prozent sogar, ein geringeres Lungenkrebsrisiko zu tragen. Bei den Rauchern waren es immerhin noch sieben Prozent. Darüber hinaus gingen 34 Prozent sämtlicher Befragten – also ein gutes Drittel – von der irrigen Annahme aus, dass der Genuss von bis zu zehn Zigaretten am Tag die Erkrankungswahrscheinlichkeit für diese Krebsart gar nicht erhöht. Dabei stuften Nichtraucher 2, ehemalige Raucher 1,8 und Raucher 3,4 Zigaretten täglich sogar als harmlos ein.
„Dieses Ergebnis ist ganz besonders beeindruckend und bedrohlich“, sagte Greillier. „Es zeigt, dass ein relativ geringer Zigarettenkonsum von vielen Leuten als ‚sicher’ erachtet wird.“ Nur die Hälfte der Befragten habe dagegen geantwortet, es gibt keine ‚sichere’ Zigarette. Seiner Ansicht nach ist es wichtig, dass die Gesundheitspolitik weiterhin den Kampf gegen das Rauchen im Fokus behält: „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass dringend Kampagnen ins Leben gerufen werden sollten, die das Risiko jeder einzelnen Zigarette bewusst machen. Der Krieg gegen den Tabak ist noch nicht vorbei.“
Jeder neigt im Grunde dazu, manche Dinge zu verdrängen oder nicht wahrhaben zu wollen. Die Ergebnisse sind somit vermutlich kein rein französisches Phänomen. So meint Carolyn Dresler von der International Association for the Study of Lung Cancer, dass sie eine international verbreitete Situation widerspiegeln. „Wer raucht, tendiert sehr stark dazu, seine Risiken geringer einzuschätzen“, kommentiert Dresler die Ergebnisse. „Wir alle haben ein starkes ‚Verdrängungs-Gen’ in uns und Aufklärung muss klar, einschlägig und mehrmalig sein, wenn man die Wahrnehmung ändern will.“ Es mache sie nachdenklich, dass dieses „Nicht wahrhaben wollen“ sowie fehlendes Wissen immer noch so verbreitet sind. „Das Lungenkrebsrisiko ist am stärksten davon abhängig, wie lange man raucht, aber natürlich spielt die tägliche Menge genauso eine Rolle“, erläutert Dresler. Außerdem steige das Risiko für Gefäßerkrankungen schon mit einer einzigen Zigarette am Tag.