Nikotin doch kein Balsam für die Seele

Metastudie zeigt: Ex-Raucher sind psychisch gesünder als die, die weiter rauchen
Raucher sind eher depressiv als Nichtraucher.
Raucher sind eher depressiv als Nichtraucher.
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Birmingham (Großbritannien) - Es ist unbestritten, dass Raucher ein erhöhtes Risiko für Krebs-, Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben. Aber viele Raucher sind überzeugt davon, dass sich der Tabakkonsum positiv auf ihr psychisches Befinden auswirkt. Eine zusammenfassende Auswertung bisheriger Studien dazu kommt jedoch zu einem ganz anderen Ergebnis: Britische Forscher bestätigen einen klaren Zusammenhang zwischen dem Verzicht auf Zigaretten und einer verbesserten psychischen Gesundheit. Wer mit dem Rauchen aufhörte, litt schon nach wenigen Wochen seltener unter Depressionen, Angststörungen und Stress als diejenigen, die weiter rauchten, berichten die Wissenschaftler im „British Medical Journal”.

„Der Zweifel an der verbreiteten Meinung, dass Rauchen der geistigen Gesundheit nützt, könnte Raucher dazu anregen aufzuhören“, erklären Paul Aveyard von der University of Oxford und seine Kollegen von der University of Birmingham und dem King’s College London. Die Forscher analysierten die Ergebnisse von 26 Studien, deren Teilnehmer im Schnitt 44 Jahre alt waren. Es handelte sich um Raucher, die bisher etwa 20 Zigaretten pro Tag geraucht hatten. An einigen Studien nahmen gesunde Menschen teil, an anderen Patienten mit körperlichen Erkrankungen oder psychischen Störungen. Ein Teil der Probanden verzichtete mit Beginn der Studie auf das Rauchen. Die jeweiligen Untersuchungszeiträume lagen zwischen sieben Wochen und neun Jahren; im Durchschnitt waren es sechs Monate. Zu Beginn und am Ende einer Studie lieferten Fragebögen Aufschluss über die psychische Gesundheit jedes Teilnehmers.

Es zeigte sich, dass diejenigen, die mit dem Rauchen aufgehört hatten, zwischen 25 und 37 Prozent weniger stark unter Ängsten, Depressionen und Stress litten als die anderen. Ihre psychische Lebensqualität lag um 22 Prozent höher, die positive Gemütsverfassung um 40 Prozent. Das galt für gesunde ebenso wie für kranke Probanden. Diese Wirkung sei mindestens so stark wie die, die durch eine Behandlung mit Antidepressiva erzielt werden kann, so die Forscher. Aber warum glauben viele Raucher, dass Nikotingenuss bei ihnen genau den gegenteiligen Effekt hat? Der Gemütszustand eines Rauchers zeige im Tagesverlauf häufige Schwankungen, erklären die Autoren. Raucher werden nervös, ängstlich oder depressiv, wenn sie eine Zeit lang nicht rauchen. Diese Stimmung bessert sich dann jeweils wieder mit der nächsten Zigarette. Deshalb haben sie das Gefühl, dass ihnen der Tabakkonsum guttut. In Wirklichkeit hat aber die Abhängigkeit vom Nikotin Veränderungen im Gehirn bewirkt und so das psychische Unwohlsein überhaupt erst verursacht. Nach Angaben der Forscher haben sich die veränderten Hirnfunktionen etwa drei Monate nach einem Nikotinentzug wieder normalisiert, was eine stabilere Gemütsverfassung begünstigt.

Mit den Ergebnissen von Beobachtungsstudien lasse sich zwar nur ein Zusammenhang, nicht aber eine Ursache-Wirkung-Beziehung definitiv nachweisen, räumen die Autoren ein. Es gebe aber Hinweise, die eine solche Beziehung sehr wahrscheinlich machen. Wegen ethischer Bedenken und praktischer Schwierigkeiten sei es sehr schwierig, Studien durchzuführen, die das beweisen könnten. Die Forscher würden trotzdem jedem Raucher versichern, dass sich ein Verzicht auf Tabakkonsum bestimmt positiv auf ihre Psyche auswirken dürfte.

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