Radioaktivität liefert Hälfte der Erdwärme

"Die Erde hat sich seit ihrer Bildung abgekühlt", berichten Itaru Shimizu von der Tohoku Universität in Miyagi und seine Kollegen. Doch die Restwärme der kosmischen Zusammenballung reicht nicht aus, um die komplette Hitze in der Erde mit Temperaturen von bis zu 5.000 Grad zu erklären. Der radioaktive Zerfall der Elemente Uran, Thorium und Kalium liefern allein etwa 24.000 Milliarden Watt Wärme. Möglich wurde diese neue, bisher genaueste Abschätzung mit dem KamLAND-Neutrino-Detektor.
Antineutrinos verraten radioaktive Zerfallsprozesse
Bei den Zerfallsprozessen entstehen Antineutrinos, die ohne Mühe durch die Erdschichten fliegen können. In dem KamLAND-Detektor treffen sie jedoch auf einen Stahlbehälter von 18 Metern Durchmesser, der mit 1.000 Tonnen Mineralöl, Benzol und fluoreszierenden Substanzen gefüllt ist. Hier prallen die Antineutrinos sehr selten auf Protonen und wandeln diese in Neutronen um. Bei diesem und anschließenden Kernprozessen entstehen winzige Lichtblitze, die mit knapp 2.000 hochempfindlichen Nachweisgeräten gezählt werden können. Aus gerade einmal 841 solcher Ereignisse, die zwischen März 2002 und November 2009 beobachtet werden wurden, konnten die Forscher auf die radioaktiven Zerfälle in der Erde zurückschließen. So sind zerfallendes Uran und Thorium für 20.000 Milliarden und das radioaktive Kalium-Isotop K-40 für etwa 4.000 Milliarden Watt Wärme verantwortlich.
"Mit großer Sicherheit können wir sagen, dass der radioaktive Zerfall allein nicht genug Energie für die Erdhitze liefert", sagt der KamLAND-Forscher Stuart Freedman vom amerikanischen Lawrence Berkeley National Laboratory. Ob aber allein die Restwärme aus der Entstehungszeit der Erde oder noch andere Quellen die verbleibenden Terawatt liefern, sei bisher nicht eindeutig zu beantworten.
Diese Studie, die zusätzlich mit Daten vom italienischen Neutrino-Detektor Borexino im Gran Sasso-Massiv gestützt wird, liefert den bisher genauesten Einblick in den Wärmehaushalt der Erde. Auf dieser Basis können Geophysiker nun die gigantischen Wärmeflüsse, die die Erdplatten antreiben und die Basis für Vulkanismus, Erdbeben und das Erdmagnetfeld legen, besser verstehen.