Psychopillen für Kinder dreimal häufiger in den USA als in Europa

Dass "Ritalin" oder "Fluctin" hierzulande seltener zum Einsatz kommen, dürfte an ärztlicher Praxis, kulturellen Glaubensmustern und den Finanzen liegen
Baltimore (USA ) - US-amerikanische Kinder und Jugendliche bekommen deutlich häufiger Psychopharmaka verschrieben als ihre Altersgenossen in Deutschland oder den Niederlanden. Bis zu dreimal höher liegt die Wahrscheinlichkeit, dass der Arzt ihnen bei Depressionen oder Verhaltensproblemen Medikamente verschreibt - so das Fazit einer Länder übergreifenden Studie. Die Gründe für diesen Unterschied vermutet das Forscherteam in einer Kombination aus ärztlicher Behandlungspraxis und kultureller Einstellung gegenüber Medikamenten, aber auch der unterschiedlichen Kostensituation und Ärztedichte. Der Einsatz psychoaktiver Medikamente wie Ritalin oder Prozac (in Deutschland Fluctin) bei Kindern wird unter Eltern und Experten heftig diskutiert. Die Forscher berichten im Fachblatt "Child and Adolescent Psychiatry and Mental Health".

"Das Verschreiben von Antidepressiva und Stimulanzien lag in den USA drei- oder mehrfach höher als in den Niederlanden und Deutschland, während das Verschreiben von Antipsychotika anderthalb bis 2,2fach höher lag", erklärt Julie Zito, Medizinerin an der University of Maryland. Gemeinsam mit Kollegen in den beiden europäischen Ländern hatte sie die Verschreibungszahlen analysiert. Als Gründe für die unterschiedliche Handhabung diesseits und jenseits des Atlantiks präsentieren sie eine Vielzahl möglicher Gründe. So gebe es deutliche Unterschiede in den kulturellen Glaubensmustern, inwieweit Medikamente bei Problemen in Verhalten oder Gefühlsdingen eingesetzt werden sollten. Auch die Diagnosepraxis unterscheide sich: Der Trend in den USA, bei Kindern und Erwachsenen bipolare Störungen zu diagnostizieren, finde sich in Europa nicht wieder, so Zito, ebensowenig, dass Kindern innerhalb eines Jahres zwei oder mehr unterschiedliche Psychopharmaka verschrieben würden.

Außerdem dürfte "die Medikamentenwerbung, die in den USA üblicherweise direkt an die Verbraucher gerichtet ist, für einen Teil der Unterschiede sorgen. Und der gestiegene Medikamentenverbrauch in den USA spiegelt die individualistische und aktivistische Behandlungsmentalität der US-amerikanischen Medizinkultur wieder." Und schließlich erwähnen die Forscher einen Einfluss der staatlichen Kostenbeschränkungen in Europa und die deutlich höhere Zahl der Kinderpsychiater pro Einwohner in den USA.

Child and Adolescent Psychiatry and Mental Health, University of Maryland
Quelle: "A three-country comparison of psychotropic medication prevalence in youth", Julie M Zito, Daniel J Safer, Lolkje TW de Jong-van den Berg, Joerg M Fegert, Satish C Valluri et al; Child and Adolescent Psychiatry and Mental Health, Ausgabe im Druck


 

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