Pneumokokken opfern sich auf

Bei Stress aktivieren einige Pneumokokken ein Toxin, das sie selbst platzen lässt und Faktoren freisetzt, die anderen Pneumokokken von Nutzen sind
Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) im Rasterelektronenmikroskop
Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) im Rasterelektronenmikroskop
© Janice Carr, CDC/ Dr. Richard Facklam
Heidelberg - Bakterien verfügen über Toxine, die durch Kopplung an ein Antitoxin zunächst in inaktiver Form im Zellinnern vorliegen. Das Lösen dieser Bindung aktiviert das Toxin und bewirkt den Tod der Zelle. Wie der programmierte Selbstmord bei Pneumokokken mit einem speziellen Toxin-Antitoxin-System abläuft, haben deutsche Biologen jetzt herausgefunden. Demnach blockiert das freie Toxin PezT die Zellwandbildung wachsender Zellen, was die Bakterien zum Platzen bringt. Für die Krankheitserreger kann es nützlich sein, wenn sich einige opfern. Denn dadurch werden Substanzen freigesetzt, die es den anderen Bakterien erleichtern, sich auszubreiten. Der Selbstmordmechanismus könnte Anregungen zur Entwicklung neuer Antibiotika liefern, schreiben die Forscher im Online-Journal "PLoS Biology".

Die Ergebnisse zeigen, dass die Aktivierung oder Hemmung des Toxin-Antitoxin-Systems das Schicksal der Bakterien beeinflusst und somit als Achillesferse für ihre Bekämpfung von Bedeutung sein kann, erklärt das Forscherteam um Anton Meinhart vom Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung in Heidelberg. Die Forscher untersuchten den bisher unbekannten Wirkmechanismus des Pneumokokken-Toxins PezT, das normalerweise, blockiert durch ein Antitoxin, als PezAT-Komplex in den Bakterien vorliegt. Sie schleusten eine abgeänderte Form des Toxin-Gens in E. coli-Bakterien ein, um die Reaktionen des freien Toxins besser verfolgen zu können. Sobald die Bakterien das Toxin produzierten, veränderte sich ihre Zellform so, als wenn sie mit einem Penicillin behandelt würden: Die Bakterien teilten sich nicht mehr, schwollen an und platzten schließlich.

Da die Wirkung von Penicillinen auf einer Blockade der Zellwandbildung beruht, vermuteten die Forscher einen ähnlichen Wirkmechanismus für das Toxin. Tatsächlich veränderte PezT einen wichtigen Zellwandbaustein (UDP-N-Acetylglucosamin) durch Übertragung einer Phosphatgruppe so, dass er seine Funktion nicht mehr erfüllen konnte. Der durch das Toxin enzymatisch phosphorylierte Zellwandbaustein wirkt wie ein Breitbandantibiotikum, das schnell wachsende Bakterien tötet, sagt Meinhart. Welchen Nutzen dieser Selbstmordmechanismus für die Pneumokokken hat, ist noch nicht ganz geklärt. Aber wenn sich bei einer Infektion ein Teil der Pneumokokken durch Aktivierung des PezT-Toxins selbst tötet, unterstützt er damit wahrscheinlich den Infektionserfolg der überlebenden Erreger, vermuten die Forscher. So haben Tierversuche gezeigt, dass Pneumokokken ohne PezT weniger infektiös sind. Möglicherweise besteht der Nutzen für die Erreger darin, dass beim Platzen der Zellen bestimmte Substanzen, so genannte Virulenzfaktoren wie das Pneumolysin, freigesetzt werden, die eine Ausbreitung der Bakterien begünstigen.

Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) sind Erreger von Infektionen wie Lungenentzündung, Hirnhautentzündung und Sepsis, die tödlich verlaufen können. Unterschiedliche Formen von Toxin-Antitoxin-Systemen sind auch bei anderen Bakterienarten weit verbreitet.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: "A Novel Mechanism of Programmed Cell Death in Bacteria by Toxin-Antitoxin Systems Corrupts Peptidoglycan Synthesis", PLoS Biology, Vol. 9(3): e1001033, doi:10.1371/journal.pbio.1001033, http://biology.plosjournals.org/perlserv/?request=get-document&doi=10.1371/journal.pbio.1001033


 

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