Physiker machen chemische Bindungen sichtbar

Spezielles Mikroskop erkennt Länge und Art der Verknüpfungen zwischen Kohlenstoffatomen
Unter dem Mikroskop werden sowohl Atome als auch die Bindungen eines Kohlenstoff-Moleküls mit bisher unerreichter Genauigkeit sichtbar.
Unter dem Mikroskop werden sowohl Atome als auch die Bindungen eines Kohlenstoff-Moleküls mit bisher unerreichter Genauigkeit sichtbar.
© IBM Zürich
Zürich (Schweiz ) - Auf wenige milliardstel Millimeter genau konnte ein europäisches Forscherteam die chemischen Bindungen in Kohlenstoff-Molekülen messen und zugleich sichtbar machen. Möglich wurde diese bisher präziseste Analyse der für die Bindungen verantwortlichen Elektronen mit einem speziellen Atomkraftmikroskop. Wie die Physiker in der Zeitschrift „Science“ berichteten, steht damit ein neues Werkzeug zur Entwicklung von besseren Solarzellen oder elektronischen Bauteilen auf Kohlenstoffbasis zur Verfügung.

„Nun können wir unterschiedliche physikalische Eigenschaften der verschiedenen Bindungen erkennen“, sagt Leo Groß vom IBM Forschungszentrum in Rüschlikon bei Zürich. Als erstes Molekül für diese extrem genauen Messungen wählte er zusammen mit Kollegen aus Toulouse und Santiago de Compostela ein Fulleren-Molekül, in dem sich 60 Kohlenstoffatome zu einem winzigen Ball anordnen. Dieses Molekül tasteten die Forscher mit einem Atomkraftmikroskop ab, an dessen Spitze sich lediglich ein einziges Kohlenmonoxid-Molekül (CO) befand.

Dieses CO-Molekül am Ende der Spitze dient dabei als „Vergrößerungsglas“, das die Auflösung des Mikroskops erhöht, so dass die atomaren Strukturen des Moleküls sichtbar werden. Ohne direkten Kontakt verursachten die Elektronen des C60-Fullerens Veränderungen der elektronischen Eigenschaften in der CO-Spitze. Aus diesen Daten konnten sie sowohl auf die Dichte der Elektronen zwischen den Kohlenstoffatomen und auf die Länge der Bindungen zurückschließen.

Über eine genauere Analyse der Messdaten erhielten Groß und Kollegen auch detailreiche Bilder des C-60-Moleküls und seiner Elektronenverteilung. Ebenso präzise zeigten sich auch Messungen an weiteren, flach strukturierten Kohlenstoffverbindungen. In weiteren Versuchen wollen sie auch die elektronischen Bindungen von Graphen – einem hauchdünnen Material aus Kohlenstoff – genauer unter die Lupe nehmen. Davon versprechen sie sich neue Daten, die den Bau elektronischer Schaltkreise auf Graphenbasis erleichtern könnten.

Dieser scharfe Blick auf Moleküle und ihre Bindungen ist nicht der erste Erfolg, der mit diesen verbesserten Rasterkraftmikroskopen gelang. Schon vor drei Jahren hatte die gleiche Forschergruppe ein Analyseverfahren präsentiert, mit dem sich gezielt die elektrische Ladung einzelner Atome auf einer isolierenden Oberfläche mit hoher Genauigkeit messen ließ. „Ein Rasterkraftmikroskop mit einer Ein-Elektron-Empfindlichkeit ist ein nützliches Werkzeug, um den Ladungstransfer in Molekülkomplexen zu untersuchen“, sagte damals IBM-Forscher Gerhard Meyer damals. Dieses Verfahren zur atomgenauen Ladungsmessung kann viele neue Erkenntnisse über Werkstoffe und atomare Prozesse liefern. So sind Nanoschaltkreise vorstellbar, in denen nur noch ein einziges Elektron zwischen den digitalen Basiswerten „0“ und „1“ unterscheidet. In den besten Siliziumprozessoren heute müssen sich für diese Schaltprozesse noch Abertausende von Elektronen bewegen. „Ladungszustände und Ladungsverteilung sind auch wichtig in der Katalyse und bei der Photokonversion“, sagte Gross.

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