Phagen unterstützen bakterielle Infektion

Mit Bakteriophagen befallene Pseudomonaden können leichter Wunden infizieren, da die Viren die Immunzellen bei der Abwehr der Bakterien schwächen
Chronische Wunden wie das offene Bein (Ulcus cruris) sind häufig mit Pseudomonaden infiziert, die Bakteriophagen freisetzen.
Chronische Wunden wie das offene Bein (Ulcus cruris) sind häufig mit Pseudomonaden infiziert, die Bakteriophagen freisetzen.
© Robodoc, Wikimedia / Creative-Commons-Lizenz (CC BY-SA 3.0), https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de
Stanford (USA) - Bakteriophagen sind Viren, die nur Bakterien befallen. Doch in bestimmten Fällen begünstigen sie eine bakterielle Infektion. Denn wenn sie zusammen mit ihren Wirtsbakterien in eine Wunde gelangen, können sie die Immunabwehr schwächen, so dass sich eine chronische Infektion leichter etablieren kann. Das haben amerikanische Mediziner bei Pseudomonaden beobachtet, die während einer Infektion den Bakteriophagen Pf freisetzten. Bei mehr als der Hälfte der untersuchten Patienten, deren Wunden mit Pseudomonas aeruginosa infiziert waren, konnten sie auch diese Phagen nachweisen. Eine Impfung von Mäusen gegen die Viren schützte die Tiere vor einer Wundinfektion durch Pseudomonaden, berichten die Forscher in „Science“. Eine solche Impfung wäre von medizinischem Interesse, da sie auch gegen antibiotikaresistente Erreger wirksam wäre.

„Jetzt wissen wir, dass Phagen auch in unsere Körperzellen gelangen und uns krank machen können“, sagt Paul Bollyky von der Stanford University, der Leiter des Forscherteams. Es sei zwar schon lange bekannt, dass unser Körper aufgrund der großen Zahl an Bakterien im Darm und im Mund auch zahlreiche Bakteriophagen verschiedenster Art beherbergt. Doch bisher ging man davon aus, dass diese Viren von den Immunzellen ignoriert werden, nicht in menschliche Zellen eindringen und keine gesundheitliche Bedeutung haben. Die Forscher untersuchten durch Pseudomonas aeruginosa verursachte Wundinfektionen bei Menschen und Mäusen. Dieses Bakterium ist häufig mit dem Virus Pf infiziert, ein fadenförmiger DNS-Phage aus der Familie der Inoviren. Nach der Vermehrung in der Wirtszelle werden neue Phagen freigesetzt, ohne dass dabei das Bakterium stirbt.

Bei 37 von 111 Patienten konnten die Mediziner in infizierten schlecht heilenden Wunden die Pseudomonaden nachweisen. In 25 dieser Fälle (68 Prozent) fanden sie auch Pf-Phagen. Von den mehr als sechs Monate alten Wunden enthielten sogar 82 Prozent solche Phagen. Um die Rolle der Phagen bei der Infektion aufzuklären, infizierten die Forscher Hautwunden von Mäusen mit zwei Stämmen von Pseudomonas aeruginosa, von denen einer den Pf-Phagen enthielt, der andere nicht. Im Vergleich zu den phagenhaltigen Bakterien war eine 50-mal höhere Erregerzahl phagenfreier Pseudomonaden nötig, um eine länger andauernde Infektion zu bewirken. Ursache dafür war eine durch die Phagen geschwächte Abwehr der Bakterien durch Fresszellen und andere Immunzellen, wie Laborversuche ergaben. Demnach verringerte sich die Fähigkeit zur Aufnahme und Zerstörung der Bakterien in Gegenwart der Phagen um 90 Prozent. „Die Fresszellen verloren ihren Appetit“, sagt Bollyky. Genauere Untersuchungen zeigten, dass die Immunzellen auf den Kontakt mit den Pf-Phagen reagierten, indem sie sich von Bakterienabwehr auf Virenabwehr umstellten – was den Infektionsverlauf der Pseudomonaden unterstützte.

Schließlich stellten die Wissenschaftler einen Impfstoff gegen die Pf-Phagen her. Bei den damit geimpften Mäusen halbierte sich im Vergleich zu nicht geimpften Tieren die Rate der Wundinfektionen nach Verabreichung phagenhaltiger Pseudomonaden. Auch eine Wundbehandlung mit monoklonalen Antikörpern, die gegen Pf-Phagen gerichtet waren, verringerte die Wahrscheinlichkeit einer Infektion. Vor dem Beginn klinischer Studien sollen nun weitere Tierversuche die Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Impfung prüfen. Von einer Schutzimpfung könnten zum einen Patienten mit Mukoviszidose profitieren, deren Lungen häufig durch Pseudomonaden infiziert werden. Zum anderen wäre ein Einsatz bei chronischen Wunden wie Ulcus cruris („offenes Bein“) und Dekubitus denkbar. Bei Brandwunden könnten die Antikörper als Soforttherapie zum Einsatz kommen. Diese indirekten Formen der Behandlung von Pseudomonasinfektionen hätten den Vorteil, dass sie auch gegen immer häufiger auftretende multiresistente Erreger wirksam wären. Eine Impfung gegen Pseudomonaden gibt es nicht.

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