Oma sei Dank: Evolution der Paarbindung beim Menschen

Zunehmende Bedeutung der Großmütter für die Versorgung von Kindern verlängerte nicht nur die Lebenserwartung, sondern förderte auch die Zweierbeziehung zwischen Mann und Frau
Die Sozialstruktur der Hadza - ein Volk von Jägern und Sammlern - lässt sich durch die Großmutter-Hypothese erklären.
Die Sozialstruktur der Hadza - ein Volk von Jägern und Sammlern - lässt sich durch die Großmutter-Hypothese erklären.
© James F. O'Connell, University of Utah
Salt Lake City (USA) - Schimpansenweibchen leben nicht mehr lang, wenn sie keine Kinder mehr kriegen können. Anders beim Menschen: Hier hat es sich im Lauf der Evolution als vorteilhaft erwiesen, dass Frauen nach der Menopause noch lange weiterleben können. Denn Großmütter halfen bei der Versorgung der Enkel und ermöglichten es so ihren Töchtern, schneller wieder schwanger zu werden. Das erhöhte die Vermehrungsrate der frühen Menschen und ließ die Lebenserwartung steigen – auch bei den Männern. Da aber ältere Männer ihre Zeugungsfähigkeit behielten, gab es bald deutlich mehr fruchtbare Männer als fruchtbare Frauen. Daher änderten die ursprünglich polygamen Männer ihr Sexualverhalten: Sie wurden zum Bewacher ihrer Partnerin, woraus sich schließlich die für Menschen typische Paarbindung entwickelte. Diese Erweiterung der „Großmutter-Hypothese“ bestätigen jetzt die Ergebnisse von Computersimulationen, die amerikanische und australische Forscher im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)” präsentieren.

„Paarbindungen sind ein universelles Merkmal menschlicher Gesellschaften, wodurch wir uns von unseren nächsten Verwandten unterscheiden“, sagt Kristen Hawkes von der University of Utah in Salt Lake City, die Leiterin des Forscherteams. Grundvoraussetzung für die Entwicklung dieser Zweierbeziehung sei die Beteiligung der Großmütter bei der Versorgung der Kinder gewesen. Das widerspricht der bisher verbreiteten Annahme, dass sich die Paarbildung durch eine Art Tauschgeschäft entwickelt hat. Demnach erkaufte sich der Mann die Treue der Frau, indem er für Nahrung und Schutz von Frau und Kindern sorgte.

Nach der Großmutter-Hypothese erhöhte die neue Funktion der Oma zunächst die Lebenserwartung, denn je länger die Großmutter lebte, umso mehr konnte sie Töchter und Enkel unterstützen. Die Gene für ein längeres Leben wurden aber auch an die männlichen Nachkommen weitergegeben. Dadurch verstärkte sich die Konkurrenz der älteren Männer um noch fruchtbare jüngere Frauen. Eine Paarbindung einzugehen erwies sich dann als beste Strategie zur Zeugung möglichst vieler Kinder. Damit ist keine lebenslange Monogamie gemeint. Die Partnerschaft kann von begrenzter Dauer sein, auch mehr als eine Beziehung zur gleichen Zeit wäre möglich. So gebe es heute zwar die Paarbindung in allen Kulturen, Charakter und Stabilität seien jedoch höchst unterschiedlich, erklären die Forscher. Bei den daraufhin untersuchten Jäger-und-Sammler-Kulturen war die Paarbindung umso stabiler, je größer das Verhältnis zwischen der Zahl der Männer und der Zahl fruchtbarer Frauen war.

In Zusammenarbeit mit Forschern der Universität von Sydney prüfte Hawkes mithilfe von Computersimulationen die Konsequenzen der Großmutter-Hypothese für die Entwicklung der Bevölkerungsstruktur der frühen Menschen. Dabei verwendeten die Wissenschaftler einerseits Daten von Schimpansenpopulationen und andererseits Informationen über heute lebende Jäger-und-Sammler-Kulturen wie das Volk der Hadza in Tansania. In dieser Volksgruppe übernehmen ältere Frauen unter anderem die Aufgabe, nach bestimmten Knollen zu graben, die eine wichtige Nahrungsquelle darstellen. Im Computer simulierten die Forscher also eine Phase der menschlichen Evolution über zahlreiche Generationen hinweg. Dabei bestätigten sich die Voraussagen der Großmutter-Hypothese sowohl für die Struktur von Schimpansen-Populationen als auch für die Lebensverhältnisse von vier Jäger-und-Sammler-Völkern.

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