Ohne Worte: Raben kommunizieren mit Gesten

"Gestenstudien haben sich viel zu lange nur auf Primaten beschränkt", sagt Simone Pika vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen. "Das Geheimnis um den Ursprung menschlicher Sprache kann aber nur gelöst werden, wenn wir über den Tellerrand hinausschauen und die Komplexität von Kommunikationssystemen anderer Tiergruppen mit einbeziehen und ergründen." Gemeinsam mit ihrem Kollegen Thomas Bugnyar von der Universität Wien hatte die Biologin Raben (Corvus Corax) in einer wilden Rabenkolonie im Cumberland Wildpark im österreichischen Grünau beobachtet und 38 soziale Interaktionen zwischen sieben Zweiergespannen analysiert.
Die Rabenvögel hoben mit dem Schnabel unterschiedliche Objekte auf und präsentierten diese so ihren Artgenossen. Meist waren die Gesten an Angehörige des anderen Geschlechts gerichtet. Entweder sie zeigten die nicht essbaren Gegenstände einfach nur, indem sie sie erhobenen oder geneigten Hauptes hochhielten und in dieser Position verharrten. Oder sie boten die Objekte aktiv an, indem sie wiederholt mit dem Kopf wackelten. Das Gegenüber reagierte nur selten skeptisch oder abweisend auf die Gesten. Meist wandte sich der Adressat dem Signalgeber zu und es kam zur Interaktion zwischen den Vögeln, etwa zum Schnäbeln oder gemeinsamer Beschäftigung mit dem Objekt.
Schon Kleinkinder beginnen etwa in einem Alter von einem Jahr noch vor den ersten Wörtern, mit hinweisenden Gesten wie Zeigen oder Hochhalten die Aufmerksamkeit anderer zu erregen und auf diverse Objekte zu lenken. Diese Gesten, so die Annahme, könnten ein erster Schritt zum Einsatz von Symbolen und damit entscheidend für die Entwicklung menschlicher Sprache sein. Dafür sind relativ komplexe Intelligenzleistungen erforderlich und bisher sind ähnliche Gesten nur bei Primaten nachgewiesen worden und dies auch nur selten. Pika und Bugnyar konnten mit ihren Beobachtungen nun zeigen, dass dieses Verhalten nicht auf Menschen und Menschenaffen beschränkt ist.