Musik prägt Hirn schon im Mutterleib
„Obwohl wir schon zeigen konnten, dass ein Fötus Details einer Sprache lernen kann, wussten wir nicht, wie lange er sich an solche Information erinnern kann“, berichtet Eino Partanen, Doktorand an der Universität Helsinki. „Diese Ergebnisse zeigen, dass Babys in einem sehr frühen Stadium zum Lernen fähig sind und dass die Lerneffekte im Gehirn für eine lange Zeit erhalten bleiben.“ Sein Team um Minna Huotilainen vom Cognitive Brain Research Unit der Universität hatte 24 Schwangere für die Studie gewinnen können. Die eine Hälfte spielte ihren Ungeborenen im letzten Schwangerschaftsdrittel – ab der 29. Woche – fünfmal die Woche eine kurze CD mit unterschiedlichen Melodien vor. Gleich mehrfach war auch das US-Kinderlied „Twinkle Twinkle Little Star“ dabei. Auf diese Weise hörten die Ungeborenen das Lied je nach Schwangerschaftsdauer zwischen 138 und 192 Mal. Die andere Hälfte der werdenden Mütter diente als Vergleichsgruppe ohne regelmäßige Musikbeschallung.
Relativ bald nach der Geburt maßen die Forscher dann die Hirnaktivitäten der Babys: Diese schliefen in ihrer Wiege, flache EEG-Elektroden schonend an den Kopf geklebt, und bekamen neunmal das „Twinkle“-Lied zu hören, teils mit leicht veränderten Noten. Dieselbe Untersuchung wiederholten die Forscher mit den vier Monate alten, wachen Kindern. Die gemessenen Hirnstrommuster analysierten das Team auf so genannte ereigniskorrelierte Potentiale (EKP oder ERP): solche Spitzen, die beim Wahrnehmen von Sinneseindrücken oder beim kognitiven Verarbeiten auftreten, also beim aufmerksamen Lauschen oder beim Lernen von Klangmustern.
Das Ergebnis war eindeutig: „Sowohl nach der Geburt als auch im Alter von vier Monaten zeigten die Kinder aus der Musik-Gruppe stärkere ERPs als die Kontrollgruppe“, schreibt das Team. Obendrein seien die ERP-Kurven auf veränderte und unveränderte Noten umso stärker ausgeschlagen, je öfter das Kind die Melodie im Mutterleib gehört hatte. Dabei konnten die Forscher ausschließen, dass eventuell angeborene Unterschiede im Hörvermögen für stärkere Ausschläge sorgten. Stattdessen zeigten sie, dass schon das Gehirn der Ungeborenen von Geräuschen geformt wird und in den Neuronen Erinnerungen verankert, die Monate später noch abrufbar sind.
So untermauern Partanen und Kollegen frühere Erkenntnisse, nach welchen Neugeborene auf Geräusche und Melodien reagieren, die sie aus dem Mutterleib kennen. Ebenso können sie den Klang der Muttersprache von dem anderer Sprachen unterscheiden. Akustische Reize beginnen etwa ab der 27. Schwangerschaftswoche, die sogenannte Hörrinde des Gehirns zu prägen. Die Zeit bis zum Alter von sechs Monaten gilt als kritisch für die Entwicklung des auditorischen Kortex. Weil Musik und Sprache über ähnliche Mechanismen verarbeitet werden, glauben die finnischen Forscher, dass das frühe Musikhören auch die Sprachentwicklung fördern kann. Wie Versuche mit Tierbabys bereits zeigten, scheint regelmäßiges Hören von Klang und Rhythmus das Kinderhirn auf ein besseres Lernen und Erinnern vorzubereiten. Andererseits geben die Forscher zu bedenken, dass ein lauter Arbeitsplatz oder unangenehme Geräusche in Frühgeborenenstationen einen negativen Effekt auf die frühe Gehirnentwicklung haben könnten. Ein Forschungsprojekt dazu ist bereits in Arbeit.