Babys finden Regeln im Silben-Wirrwarr

Hirnstrommessungen zeigen: Erwachsene tun sich deutlich schwerer beim Erkennen von Sprachmustern
Mit dem Elektroenzephalogramm (EEG) messen, wie das Gehirn von Babys auf Sprache reagiert.
Mit dem Elektroenzephalogramm (EEG) messen, wie das Gehirn von Babys auf Sprache reagiert.
© MPI CBS
Leipzig - Babys sind Erwachsenen deutlich überlegen, was das Erkennen und Erlernen mancher komplexer Sprachmuster und -regeln anbetrifft. Für Erwachsene nur schwer zu entdeckende Regeln scheinen sie mit einer instinktiven Selbstverständlichkeit zu bemerken. Das konnten drei Forscherinnen vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig beobachten, indem sie die Hirnströme drei Monate alter Säuglinge gemessen haben. Grundlegend für die Fähigkeit ist offenbar, Veränderungen der Tonhöhe bereits auf eine bestimmte Art und Weise verarbeiten zu können, berichten die Wissenschaftlerinnen im Fachblatt „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“. Die Ergebnisse liefern tiefere Einsicht dazu, warum Babys Sprache so einfach erlernen.

„Spannend ist zudem, dass wir eine so enge Abhängigkeit zwischen der Verarbeitung von Tonhöhenunterschieden und Sprachlernprozessen zeigen konnten“, sagt Erstautorin Jutta Mueller. Die Forscherinnen hatten mehr als 100 Babys beziehungsweise deren Eltern für ihre Untersuchung gewinnen, aber nicht von allen auch Daten sammeln können. Manche der Kinder verschliefen zu große Teile des Versuchs, andere weinten, weshalb das Experiment dann abgebrochen wurde. Letztlich konnten sie per Elektroenzephalogramm (EEG) die Hirnmuster von 65 der kleinen Probanden messen, während diese bestimmten Silbensequenzen lauschten. In jenen Sequenzen gehörten jeweils zwei Silben zusammen, die durch eine dritte Silbe voneinander getrennt wurden. „Solche Abhängigkeiten zwischen nicht benachbarten Silben bilden einen der Grundbausteine menschlicher Sprache und finden sich bei vielen grammatikalischen Regeln“, erläutert Mueller. Dies ist zum Beispiel bei der Konjugation von Verben der Fall – etwa: „ich geh-e“, „du geh-st“.

Manche der Silben waren in einer höheren Tonlage gesprochen. Außerdem war in den Sprachstrom ab und an eine Silbe an der falschen Stelle eingebunden, was gegen das übliche Muster verstieß. „Die Gehirnreaktion der Kinder zeigte uns, dass sie diese Verletzungen erkannten, also die Regel automatisch extrahiert hatten“, erklärt Mueller. Dazu – das zeigten die Hirnströme ebenfalls – waren allerdings nur diejenigen Babys in der Lage, die auf die Tonhöhenunterschiede bereits mit einer sogenannten reifen Hirnreaktion reagierten.

Erwachsene stellten sich in dem Versuch weit weniger geschickt an, stellten die Forscherinnen fest. Wenn diesen das scheinbar sinnfreie Silben-Wirrwarr auf dieselbe Weise präsentiert wurde wie den Babys, fanden sie die Regel schlicht nicht. Erst mit der Aufgabenstellung, Regeln in dem Gehörten zu finden, konnten immerhin manche ein Muster entdecken – aber nicht alle. Auch hier war der Fall, dass das Hirn derjenigen, die eine Regel erkannten, stärker auf die Abweichungen in der Tonhöhe reagierte als das Gehirn derer, die keine Regel fanden.

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