Mundkeim schwächt Tumorabwehr des Immunsystems

Fusobakterien besiedeln Krebsgewebe, lagern sich an Immunzellen an und verhindern damit die Zerstörung von Tumorzellen
Natürliche Killerzellen und andere Lymphozyten spüren Krebszellen auf, um sie zu zerstören.
Natürliche Killerzellen und andere Lymphozyten spüren Krebszellen auf, um sie zu zerstören.
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Jerusalem (Israel) - Fusobakterien leben einerseits im Mund und im Darm gesunder Menschen. Andererseits wurden sie aber auch im Tumorgewebe von Darmkrebspatienten nachgewiesen. Ihre mögliche Bedeutung für den Krankheitsprozess blieb jedoch fraglich. Jetzt konnten israelische Forscher zeigen, dass Fusobacterium nucleatum Krebszellen vor der Immunabwehr schützt: Die Mikroben lagern sich an ein Rezeptorprotein auf der Oberfläche von Immunzellen an und verhindern dadurch die Zerstörung der Krebszellen. Auf diese Weise fördern also die in den Tumor eingedrungenen Fusobakterien das Wachstum bereits vorhandener Tumoren, berichten die Mediziner im Fachblatt „Immunity”.

„Den Kontakt zwischen diesen Bakterien und den Immunzellen zu verhindern, könnte die Tumorabwehr des Immunsystems verbessern – ganz generell und insbesondere bei Darmkrebs“, sagt Ofer Mandelboim von der Hebrew University in Jerusalem, einer der leitenden Forscher der Arbeitsgruppe. Die Wissenschaftler arbeiteten mit Kulturen menschlicher Darmkrebszellen sowie mit Zellen zweier anderer menschlicher Tumorarten. Nach Zugabe von F. nucleatum-Bakterien lagerten sich diese in allen drei Fällen eng an die Krebszellen an. Dann fügten die Forscher menschliche Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) hinzu. Diese Immunzellen sind Bestandteil des angeborenen Immunsystems. Ihre Aufgabe besteht darin, infizierte Zellen und Krebszellen zu erkennen und abzutöten. In Gegenwart der Fusobakterien war diese Aktivität der NK-Zellen gegenüber allen getesteten Tumorzelltypen deutlich schwächer als ohne die Mikroben.

Wie weitere Untersuchungen ergaben, beruht die Blockade der NK-Zellen darauf, dass die Bakterien mit Hilfe des Proteins Fap2 an den Rezeptor TIGIT auf der Oberfläche der Immunzellen andocken. Fusobakterien, denen das Andockprotein Fap2 fehlte, waren nicht mehr in der Lage, die NK-Zellen daran zu hindern, die Krebszellen zu zerstören. Wahrscheinlich profitieren F. nucleatum-Bakterien davon, in Tumorgewebe einzudringen, denn der dort herrschende geringe Sauerstoffgehalt ist für ihre Vermehrung vorteilhaft. Indem die Bakterien die Immunzellen daran hindern, einen Tumor anzugreifen, erhalten sie sich ihren eigenen Lebensraum. Tumorzellen und Fusobakterien unterstützen sich also gegenseitig beim Wachstum.

Fusobakterien aus dem Mund könnten bei Zahnfleischentzündungen in den Blutkreislauf und damit auch in andere bereits vorhandene Tumoren gelangen. Daher beschränkt sich ihre Bedeutung für das Tumorwachstum möglicherweise nicht nur auf Darmtumoren, vermuten die Forscher. Ein Wirkstoff, der die Bindung zwischen dem Fap2-Protein der Bakterien und dem TIGIT-Rezeptor der Immunzellen verhindert, würde die natürliche Immunabwehr gegen Tumoren verbessern und könnte den Erfolg einer Krebstherapie erhöhen.

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