Lebt die Großmutter im Haus, ist die Kinderzahl gering

Weltweite kulturübergreifende Studie belegt Zusammenhang zwischen Fruchtbarkeit der Ehefrau und Wohngemeinschaft mit ihrer Mutter oder Schwiegermutter
Großmütter entlasten ihre Töchter zwar bei der Betreuung der Kinder, haben aber heute keinen positiven Einfluss mehr auf die Kinderzahl.
Großmütter entlasten ihre Töchter zwar bei der Betreuung der Kinder, haben aber heute keinen positiven Einfluss mehr auf die Kinderzahl.
© Eklisgirbuh / pixabay.com, CC0 1.0 Universell (CC0 1.0), https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de
Wien (Österreich) - Während der menschlichen Evolution haben Großmütter wahrscheinlich eine wichtige Rolle gespielt. Sie halfen mit, die Kinder ihrer Töchter zu versorgen. Dadurch konnten junge Mütter schneller erneut schwanger werden, was das Wachstum der Menschenpopulationen beschleunigte. Jetzt haben österreichische Anthropologen untersucht, ob auch in heutigen Gesellschaften noch ein positiver Effekt von Großmüttern auf die Fruchtbarkeit ihrer Töchter oder Schwiegertöchter nachweisbar ist. Doch aus internationalen Bevölkerungsdaten ließ sich eher das Gegenteil schließen: Die Kinderzahl von Frauen, die nicht mit Mutter oder Schwiegermutter zusammenlebten, war höher als in einem Haushalt mit drei Generationen, berichten die Forscher im Fachblatt „Royal Society Open Science“. Heute sind wohl meist Einkommen und gesellschaftliche Stellung eines Elternpaares ausschlaggebend dafür, ob auch die Großmutter mit im Haus ist oder nicht.

„Die Gegenwart der Mutter oder Schwiegermutter in der Wohngemeinschaft scheint eine negative Wirkung auf die Fruchtbarkeit einer Ehefrau zu haben“, erklären Martin Fieder und seine Kolleginnen von der Universität Wien. Zwar ist die Frau bei ihrer ersten erfolgreichen Schwangerschaft im Schnitt jünger, wenn das Paar mit der Mutter des Mannes oder der Frau zusammenlebt, doch bleibt die Kinderzahl insgesamt geringer als in Familien ohne Oma. Die Forscher werteten Daten nationaler Volksbefragungen aus, die in den vergangenen 40 Jahren erhoben wurden. Unter den 14 Ländern waren überproportional viele Entwicklungsländer, westeuropäische Staaten fehlten ganz. Es lagen Informationen über mehr als zwei Millionen verheirateter Frauen vor, die 15 bis 34 Jahre alt waren und mit ihrem Ehemann zusammenlebten.

In den meisten Staaten bildeten 70 bis 97 Prozent der befragten Paare keine Wohngemeinschaft mit einer der beiden Mütter. Nur im Irak wurde im Jahr 1997 ein mit 53 Prozent ungewöhnlich hoher Anteil an Paaren ermittelt, die mit der Mutter des Ehemanns zusammenlebten. Dass beide Mütter in der Wohnung des Paares lebten, kam so selten vor, dass diese Fälle von der Auswertung ausgeschlossen wurden. Die Häufigkeit eines Zusammenlebens mit der Mutter des Ehemanns schwankte zwischen 1,5 Prozent der Befragten in den USA und 20,5 Prozent in Rumänien. Noch seltener war die Wohngemeinschaft mit der Mutter der Ehefrau, wofür sich Werte von 0,8 Prozent in Malawi bis 17,2 Prozent in Thailand ergaben. Eine Mutter des Mannes oder der Frau als Mitbewohnerin war umso wahrscheinlicher, je jünger die Ehefrau war.

„Die Tatsache, dass heute weltweit die meisten Familien ohne eine Großmutter im Haus leben, scheint jedenfalls keine negativen Effekte auf die Vermehrungsraten der Populationen zu haben“, schreiben die Forscher. Diese bevorzugte Form des Zusammenlebens sei wohl das Ergebnis sozialer und ökonomischer Entwicklungen in neuerer Zeit. Möglicherweise holen Elternpaare, die in ärmlichen Verhältnissen leben, eher eine Großmutter zu sich. Deren vergleichsweise geringe Kinderzahl wäre dann eine Folge der schlechten Lebensbedingungen und hätte nichts mit der Oma zu tun. Aus anderen Studien ist bekannt, dass Arbeitslosigkeit und geringe soziale Stellung des Mannes mit einer geringeren Kinderzahl verbunden ist. Inwieweit das Zusammenleben mit einer Großmutter die Kindersterblichkeit verringert – was unter ungünstigen Lebensumständen auch in heutigen Gesellschaften möglich ist – wurde in dieser Studie mangels Daten nicht untersucht.

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