Körpereigene Egobooster: Hirnscans liefern Hinweise auf Selbstüberschätzung

Studie deckt auf, welche Mechanismen im Gehirn das Selbstbewusstsein fördern - Dopamin spielt eine zentrale Rolle
Kooperation für ein gesundes Selbstbewusstsein: Über bildgebende Verfahren wird die Interaktion zwischen Striatum (links) und Stirnlappen (rechts) sichtbar
Kooperation für ein gesundes Selbstbewusstsein: Über bildgebende Verfahren wird die Interaktion zwischen Striatum (links) und Stirnlappen (rechts) sichtbar
© Yamada et al.
Chiba (Japan)/Palo Alto (USA) - Selbstüberschätzung oder gar Arroganz gelten gemeinhin nicht gerade als lobenswerte Charaktereigenschaften. Dass fast jeder Mensch dazu neigt, kommt aber nicht von ungefähr: Aus evolutionsbiologischer und psychologischer Sicht ist es durchaus von Vorteil, die eigenen Stärken überzubewerten: Die in der Wissenschaft auch Überlegenheitsillusion genannte Tendenz hilft, positiv und hoffnungsfroh in die Zukunft zu blicken. Damit sichert sie sowohl das Überleben des Individuums als auch das der gesamten Menschheit. Welche Abläufe im Gehirn zu dieser verzerrten Selbstwahrnehmung führen, hat eine Gruppe amerikanischer und japanischer Forscher nun erstmals aufdecken können. Eine zentrale Rolle spielt dabei offenbar der Dopaminspiegel in zwei Hirnregionen. Wie sie im Fachblatt „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) schreiben, könnten ihre Erkenntnisse helfen, neue Behandlungsmethoden gegen Depressionen zu entwickeln.

„Indem die Überlegenheitsillusion uns die eigene Überlegenheit bezüglich der Charaktereigenschaften und Fähigkeiten vorgaukelt, hilft sie uns bei der Vorbereitung auf bevorstehende Herausforderungen“, sagt Makiko Yamada vom japanischen National Institute of Radiological Sciences. Solche positiven Illusionen vom Selbst seien somit in beschränktem Maß wichtig für die geistige Gesundheit, so die Forscher. Eine jüngst durchgeführte Studie hatte bereits erwiesen, dass ein übertrieben positives Selbstbild der evolutionären Auslese unterliegt. „Wenn wir also davon ausgehen, dass diese Illusionen ein phylogenetisch alter Aspekt des menschlichen Bewusstseins sind, hat sich das Gehirn wahrscheinlich zugunsten dieser positiven Art der Selbstwahrnehmung entwickelt“, konstatieren die Forscher in ihrer Studie. „Unsere Resultate beleuchten nun, wie ein wichtiger Schlüsselaspekt der menschlichen Psyche biologisch verursacht wird“, so Yamada.

Die Forschergruppe um Yamada untersuchte für ihre Studie die neuronalen Prozesse bei 24 gesunden Männern. Sie unterzog die Probanden einerseits verschiedenen psychologischen Aufgaben, die Einsicht in deren Selbstbewusstsein und Motivation geben sollten. Zudem beobachteten die Wissenschaftler per fMRT (funktionellen Magnetresonanztomografie) und PET (Positronen-Emissions-Tomographie) die Gehirnaktivitäten der Testpersonen im Ruhezustand, also in Momenten, in denen deren Gehirn keine äußerlich initiierte Aufgabe zu bearbeiten hatte. Mit Hilfe dieser beiden bildgebenden Verfahren konnten sie entscheidende Erkenntnisse über die neuronalen Aktivitäten im präfrontalen Hirnlappen und im Striatum gewinnen. Der Stirnlappen ist für das situationsgerechte Handeln zuständig. Die Aktivität des zum Großhirn gehörenden Striatums bestimmt über das Zusammenwirken von Motivation, Emotion, Kognition und Bewegungsverhalten. Frühere Untersuchungen hatten bereits gezeigt, dass die aktive Vernetzung dieser Gehirnbereiche sowie die extrazelluläre Konzentration von Dopamin in diesen beiden Hirnarealen an der geistigen Gesundheit beteiligt ist. Der Neurotransmitter Dopamin beeinflusst Persönlichkeit, Stimmung und Symptome psychischer Störungen. Ein höherer Spiegel des Botenstoffs wird mit größerer Motivation in Verbindung gebracht.

Konkret testeten die Wissenschaftler über mehrere psychologische Verfahren Selbstbewusstsein und Angstreaktionen der Probanden. Im Test wurden ihnen unter anderem 60 Begriffe vorgelegt, die Persönlichkeitsattribute beschreiben. Die Testpersonen sollten diese Wörter auf einer Skala von eins bis sieben auf ihre allgemeine soziale Begehrtheit hin beurteilen und sich bezüglich dieser Eigenschaften mit ihren Mitprobanden vergleichen. Anschließend glichen die Wissenschaftler die Ergebnisse dieser Selbsteinschätzung mit den Messungen der Hirnaktivitäten im Ruhezustand bei den jeweiligen Probanden ab. Wie sich zeigte, war die Dopaminkonzentration im Striatum bei jenen Testpersonen am höchsten, die in der Befragung ein besonders hohes Maß an Überlegenheitsillusionen gezeigt hatten. „Da bestimmte Bereiche im Striatum mit bedachtsamem Handeln und kognitiver Kontrolle in Verbindung stehen, könnte diese Hirnregion den Hang zu einer positiven Selbstbewertung steuern“, sagt Yamada. Die neuralen und molekularen Mechanismen hinter der Überlegenheitsillusion zu verstehen helfe laut den Autoren der Studie letztlich nicht nur, den menschlichen Geist besser zu begreifen, sondern auch psychische Störungen besser zu verstehen.

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