Klimaerwärmung: Spitze der Nahrungskette hat Schlüsselfunktion für Prognosen

Große Räuber und Pflanzenfresser sind nicht nur selbst besonders stark betroffen, sondern wirken auch als Multiplikatoren
Auch große Pflanzenfresser wie Moschusochsen könnten Schlüsselelemente bei den Folgen der Klimaerwärmung sein.
Auch große Pflanzenfresser wie Moschusochsen könnten Schlüsselelemente bei den Folgen der Klimaerwärmung sein.
© Eric Post, Penn State University
New Haven (USA) - Um die Folgen der Klimaerwärmung besser abschätzen zu können, sollte besonderes Augenmerk auf die Spitzen der Nahrungsketten gelegt werden. Spitzen-Räuber wie Wölfe aber auch große Pflanzenfresser wie Moschusochsen wirken als sogenannte biotische Multiplikatoren, betonen US-Biologen. Wenn diese Arten von Temperaturveränderungen betroffen sind, hat das besonders drastische, bisher unterschätzte Auswirkungen. Sich bei der Forschungsarbeit auf diese Multiplikatoren zu konzentrieren, könnte daher deutlich bessere Prognosen über die Folgen der Klimaerwärmung auf Tier- und Pflanzenwelt erlauben als klassische Modelle, verdeutlichen die Wissenschaftler in „Science“.

„Derzeit behandeln die meisten Modelle, die die Effekte der Klimaveränderung prognostizieren, die Arten einzeln und konzentrieren sich nur auf klimatische und umweltbedingte Antriebe“, sagt Phoebe L. Zarnetske von der School of Forestry and Environmental Studies an der Yale University in New Haven. „Aber wir wissen, dass Arten nicht in einem Vakuum existieren. Sie interagieren miteinander auf Arten und Weisen, die ihr Überleben tief beeinflussen.“ Klassische Ansätze prognostizieren, dass aufgrund von Klima- und Umweltveränderungen im Jahr 2050 15 bis 37 Prozent der Arten vom Aussterben bedroht sein werden. Die Auswirkungen könnten aber weit gravierender sein, denn diese Prognosen vernachlässigen den besonders starken Einfluss, den Spitzen-Räuber und -Pflanzenfresser auf eine Vielzahl anderer Arten haben. Klimaveränderungen wiederum haben wahrscheinlich auch besonders starke Effekte auf Spitzen-Konsumenten. „Als Folge können diese Effekte sich durch ein komplettes Nahrungsnetz ziehen und das Risiko auszusterben auf ihrem Weg multiplizieren“, erläutert Zarnetskes Kollege und Co-Autor Dave Skelly.

Die Biologen schlagen daher vor, diesen Multiplikatoren und deren Interaktionen mit anderen Arten besondere Beachtung zu schenken, um die Effekte der Klimaerwärmung besser prognostizieren zu können. Auch aktuelle Studien aus kalten Breitengraden untermauern den Ansatz. So führten steigende Temperaturen im Winter dazu, dass die Zahl der Wölfe auf der nordamerikanischen Binnensee-Insel Isle Royale zurückging und die der Elche sprunghaft anstieg und die Zahl einer Tannenart wiederum schrumpfte. Im arktischen Grönland belegen Untersuchungen, dass ohne die Spitzen-Pflanzenfresser Moschusochsen und Ren die Vielfalt der Tundrapflanzen leiden kann, was eine Reihe weiterer Arten beeinflusst, die sich von diesen ernähren.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: „Biotic Multipliers of Climate Change Effects”, Phoebe L. Zarnetske, David K. Skelly ,Mark C. Urban; Science, DOI: 10.1126/science.1222732


 

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