Kindheit: Häufige Umzüge erhöhen Gesundheitsrisiko

Weitere Forschungen seien nötig, um zu verstehen, auf welche Weise sich Wohnortwechsel in der Kindheit so gravierend auswirken können, schreiben Roger Webb von der University of Manchester und Kollegen. Ihre Studie erfasste Daten sämtlicher fast 1,5 Millionen zwischen 1971 und 1997 in Dänemark geborenen Kinder dänischer Eltern. Die Forscher dokumentierten jede Veränderung des Wohnsitzes bis zum 15. Geburtstag. Umzüge innerhalb derselben Stadt blieben unberücksichtigt. Bis zum Jahr 2013 wurden mit Hilfe entsprechender staatlicher Register alle Fälle verübter Gewaltverbrechen und Suizidversuche, Diagnosen psychischer Erkrankungen, Drogenkonsum und Todesursachen ermittelt. Zusätzlich lagen Informationen über Bildungsstand, Einkommen und Berufstätigkeit der Eltern vor. Aufgrund der Verfügbarkeit umfassender nationaler Datenregister sei Dänemark das einzige Land, für das eine solche Studie durchgeführt werden kann, sagt Webb.
In ihren ersten 15 Lebensjahren waren 37 Prozent der Kinder mindestens einmal in eine andere Stadt umgezogen. Die damit verbundenen negativen Folgen waren umso schwerwiegender, je älter das Kind beim Wohnungswechsel war. Für jedes Alter galt: Je mehr Umzüge, desto gravierender die erfassten Auswirkungen im späteren Leben. Es stieg die Wahrscheinlichkeit von Suizidversuchen und kriminellen Gewalttaten, von psychiatrischen Behandlungen und Drogenmissbrauch sowie das Risiko, durch Unfall oder Krankheit zu sterben. Entgegen der Erwartungen verstärkten ein geringes Familieneinkommen oder ein niedriger Bildungsstand und unsichere Beschäftigungsverhältnisse der Eltern die negativen Folgen von Umzügen nicht.
Theoretisch könnten häufige Umzüge ein Anzeichen für psychosoziale Probleme in minderbemittelten Familien sein. Dann wäre ein gestörtes Familienleben der eigentliche Auslöser dafür, dass die Kinder als Erwachsene eher unter seelischen und körperlichen Problemen zu leiden haben. Da jedoch der nachgewiesene enge Zusammenhang bei Familien aller sozioökonomischen Gesellschaftsschichten gleichermaßen stark ausgeprägt war, seien die häufigen Wohnungswechsel selbst als die wahrscheinlichere Ursache anzunehmen, schreiben die Autoren. Insbesondere für Schulkinder sei ein neuer Wohnort mit mehrfachem Stress verbunden: Frühere soziale Bindungen werden zerstört, in neuer Umwelt müssen neue Freundschaften aufgebaut werden, während gleichzeitig die Pubertät gravierende Veränderungen des Lebens mit sich bringt. Schulen, Gesundheitsdienste und soziale Einrichtungen sollten darauf aufmerksam gemacht werden, so die Forscher, dass Heranwachsende an einem neuen Wohnort einer besonderen Betreuung bedürfen – ganz unabhängig von Bildungsschicht und Einkommensverhältnissen des Elternhauses.