Jede Stadt hat ihren eigenen mikrobiellen Fußabdruck

Urbane Mikrobiome verschiedener Großstädte weltweit zeigen neben einem allen gemeinsamen Kernbestand an Bakterienarten auch individuelle Unterschiede
Der Hautkeim Cutibacterium (Propionibacterium) acnes ist das in allen Städten am häufigsten vorkommende Bakterium.
Der Hautkeim Cutibacterium (Propionibacterium) acnes ist das in allen Städten am häufigsten vorkommende Bakterium.
© US Centers for Disease Control and Prevention (CDC) / Bobby Strong, public domain
New York (USA) - Jeder Mensch verfügt über ein ganz individuelles Mikrobiom von Darm- und Hautmikroben. Offenbar ist auch jede Stadt ein spezielles Ökosystem, in dem sich ein jeweils einzigartiges Artenspektrum an Bakterien, Viren und anderen Mikroben entwickelt, wie ein internationales Forscherteam im Fachblatt „Cell“ berichtet. Dieses urbane Mikrobiom besteht zum einen aus einem allen untersuchten Städten weltweit gemeinsamen Anteil weniger Bakterienarten, wird aber zum anderen ergänzt durch zusätzliche Spezies von Mikroben, die für jede Stadt unterschiedlich sind. Laufende Informationen darüber, wie sich das Artenspektrum der Mikroben einer Stadt mit der Zeit verändert, könnten nach Ansicht der Autoren frühzeitige Informationen über Infektionsrisiken und drohende Epidemien liefern.

„Mit Hilfe Ihrer Schuhe könnte ich Ihnen mit etwa 90-prozentiger Sicherheit sagen, aus welcher Stadt Sie kommen“, sagt Christopher Mason vom Weill Cornell Medical College in New York, der Leiter des Forschungsprojekts. „Jede Stadt hat ihr eigenes ‚molekulares Echo‘ der für sie typischen Mikroben.“ Daher könnten Überwachungen städtischer Mikrobiome nicht nur von medizinischer und epidemiologischer Bedeutung sein, sondern auch forensischen Untersuchungen dienen.

Für ihre Studie wählten die Forscher 60 Großstädte in Europa, Nord- und Südamerika, Ostasien, Afrika, Australien und Ozeanien aus. Dazu zählten New York, Brisbane, Hongkong, Tokio, Kuala Lumpur, Hanoi, Wien, Oslo und als einzige deutsche Stadt Berlin. Zu jeweils drei verschiedenen Zeiten zwischen 2015 und 2017 wurden insgesamt 4728 Abstrichproben aus Bussen und Bahnen, von Sitzen, Bänken, Geländern, Drehkreuzen und Fahrkartenverkaufsstellen gesammelt. Durch DNA-Analysen identifizierten die Wissenschaftler 4246 bekannte Mikrobenarten sowie 748 bisher unbekannte Spezies von Bakterien und mehrere Tausend unbekannte Virusarten.

Eine Gruppe von 31 Bakterienarten, darunter Staphylokokken, Pseudomonaden und Mikrokokken, war in 97 Prozent der Proben aller Städte nachweisbar. Die Liste dieser Bakterien unterschied sich von den Artenspektren, die für Bodenbakterien und Bakterien des menschlichen Körpers charakteristisch sind. Das in allen Städten am häufigsten gefundene Bakterium war Cutibacterium acnes (frühere Bezeichnung: Propionibacterium acnes), ein normales Hautbakterium, das aber auch an der Entstehung von Akne beteiligt ist. Unter den Stadtmikroben fanden sich zudem Arten von Streptococcus, Klebsiella, Enterobacter und anderen, die als potenzielle Infektionserreger medizinisch relevant sind.

Die Forscher untersuchten die bakterielle DNA auch auf Gene, die die Mikroben gegen Antibiotika resistent machen. Die Häufigkeit, mit der solche Resistenzgene nachgewiesen wurden, variierte zwischen den Städten stark. Welche Faktoren für diese Unterschiede und für die unterschiedlichen Keimspektren der Städte verantwortlich sind, ist noch nicht untersucht. Das in regelmäßigen Zeitabständen ermittelte Mikrobiom einer Stadt könnte helfen, Ausbrüche von Infektionen und eine Vermehrung resistenter Erreger früh zu erkennen und schnell Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

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