Gentherapie gegen Alzheimer?
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass es den Patienten helfen könnte, den APOE4-Proteinspiegel in der Hirnflüssigkeit zu senken und die Konzentration der schützenden Proteinform APOE2 zu erhöhen“, sagt Bradley Hyman vom Massachusetts General Hospital in Charlestown. Wer zwei Kopien des APOE4-Gens –eine väterliche und eine mütterliche – in seinem Erbgut hat, erkrankt im Schnitt bereits mit Mitte 60 an Alzheimer. Bei Trägern eines APOE2-Gens ist erst nach dem 90. Geburtstag mit der Krankheit zu rechnen. Die durch die verschiedenen Genvarianten kodierten APOE-Proteine unterscheiden sich lediglich in einem einzigen Aminosäurebaustein. Warum sich dieser geringe Unterschied so stark auf das Demenzrisiko auswirkt, ist noch nicht geklärt. APOE-Proteine werden unter anderem von Gliazellen des Gehirns produziert und in die Hirnflüssigkeit freigesetzt. Sie können sich mit dem Eiweißstoff Beta-Amyloid verbinden, der bei Alzheimer-Patienten krankheitstypische Ablagerungen verursacht. Das führte zur Vermutung, dass die APOE-Proteine – je nach Variante – die Entstehung oder den Abtransport dieser Ablagerungen fördern oder hemmen könnten.
Hyman und seine Kollegen arbeiteten mit genetisch veränderten Mäusen, die bereits Beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn gebildet hatten. Durch Injektion Gen transportierender Viren direkt ins Gehirn übertrugen die Forscher jeweils eine der drei menschlichen APOE-Genvarianten in die Hirnflüssigkeit. Von dort gelangten die Gene in Gliazellen und veranlassten diese dazu, einige Monate lang das entsprechende APOE-Protein zu produzieren. Fünf Monate nach der Gen-Injektion ergaben sich deutliche Unterschiede im Krankheitsbild: Bei einem Anstieg des APOE4-Proteinspiegels nahmen Zahl und Größe der Beta-Amyloid-Ablagerungen zu. Umgekehrt führte eine verstärkte Produktion des APOE2-Proteins zu weniger Ablagerungen und zu geringeren Schäden von Nervenzellen. Als Vergleich dienten Mäuse, denen das „normale” APOE3-Gen oder gar kein zusätzliches APOE-Gen übertragen wurde. Die unterschiedlichen Auswirkungen der Gentherapie auf die Hirnstruktur verfolgten die Forscher auch direkt am lebenden Tier mit Hilfe einer speziellen Technik, der Multiphotonen-Mikroskopie.
Die Wissenschaftler vermuten, dass eine verstärkte APOE2-Produktion im Gehirn den Abtransport von Beta-Amyloid über das Blut beschleunigen und dadurch Ablagerungen verhindern kann. Ziel einer neuen Therapie wäre es demnach, das APOE4-Gen, falls vorhanden, zu hemmen und stattdessen für eine verstärkte Produktion des APOE2-Proteins zu sorgen – durch eine Form der Gentherapie oder auf andere Weise.