Gentherapie gegen Alzheimer?

Ein ins Hirn injiziertes Gen verringert bei Mäusen die krankhaften Ablagerungen und Schäden von Nervenzellen
Molekülmodell des Beta-Amyloid-Peptids, eines Eiweißstoffs, der sich bei der Alzheimer-Krankheit im Gehirn ablagert und Nervenzellen abtötet
Molekülmodell des Beta-Amyloid-Peptids, eines Eiweißstoffs, der sich bei der Alzheimer-Krankheit im Gehirn ablagert und Nervenzellen abtötet
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Charlestown (USA) - Durch eine Genanalyse lässt sich das Alzheimer-Risiko eines Menschen abschätzen. Entscheidend dabei ist, welche Variante des APOE-Gens im Erbgut vorliegt. Dieses Gen steuert die Produktion des sogenannten Apolipoprotein E. Im Vergleich zur häufigsten Genform APOE3 erhöht die Genvariante APOE4 das Krankheitsrisiko bis zu zwölffach. Für Träger des APOE2-Gens dagegen halbiert sich die Wahrscheinlichkeit, an der Demenz zu erkranken. Amerikanische Forscher konnten jetzt bei Mäusen zeigen, dass die Art des APOE-Gens einen direkten Einfluss auf das Ausmaß der krankhaften Ablagerungen im Gehirn hat. Die Injektion des APOE4-Gens in das Gehirn beschleunigte den Krankheitsverlauf, die Übertragung der APOE2-Variante verlangsamte ihn. Das eröffne neue Möglichkeiten einer Gentherapie der noch immer unheilbaren Demenz, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Science Translational Medicine”.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass es den Patienten helfen könnte, den APOE4-Proteinspiegel in der Hirnflüssigkeit zu senken und die Konzentration der schützenden Proteinform APOE2 zu erhöhen“, sagt Bradley Hyman vom Massachusetts General Hospital in Charlestown. Wer zwei Kopien des APOE4-Gens –eine väterliche und eine mütterliche – in seinem Erbgut hat, erkrankt im Schnitt bereits mit Mitte 60 an Alzheimer. Bei Trägern eines APOE2-Gens ist erst nach dem 90. Geburtstag mit der Krankheit zu rechnen. Die durch die verschiedenen Genvarianten kodierten APOE-Proteine unterscheiden sich lediglich in einem einzigen Aminosäurebaustein. Warum sich dieser geringe Unterschied so stark auf das Demenzrisiko auswirkt, ist noch nicht geklärt. APOE-Proteine werden unter anderem von Gliazellen des Gehirns produziert und in die Hirnflüssigkeit freigesetzt. Sie können sich mit dem Eiweißstoff Beta-Amyloid verbinden, der bei Alzheimer-Patienten krankheitstypische Ablagerungen verursacht. Das führte zur Vermutung, dass die APOE-Proteine – je nach Variante – die Entstehung oder den Abtransport dieser Ablagerungen fördern oder hemmen könnten.

Hyman und seine Kollegen arbeiteten mit genetisch veränderten Mäusen, die bereits Beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn gebildet hatten. Durch Injektion Gen transportierender Viren direkt ins Gehirn übertrugen die Forscher jeweils eine der drei menschlichen APOE-Genvarianten in die Hirnflüssigkeit. Von dort gelangten die Gene in Gliazellen und veranlassten diese dazu, einige Monate lang das entsprechende APOE-Protein zu produzieren. Fünf Monate nach der Gen-Injektion ergaben sich deutliche Unterschiede im Krankheitsbild: Bei einem Anstieg des APOE4-Proteinspiegels nahmen Zahl und Größe der Beta-Amyloid-Ablagerungen zu. Umgekehrt führte eine verstärkte Produktion des APOE2-Proteins zu weniger Ablagerungen und zu geringeren Schäden von Nervenzellen. Als Vergleich dienten Mäuse, denen das „normale” APOE3-Gen oder gar kein zusätzliches APOE-Gen übertragen wurde. Die unterschiedlichen Auswirkungen der Gentherapie auf die Hirnstruktur verfolgten die Forscher auch direkt am lebenden Tier mit Hilfe einer speziellen Technik, der Multiphotonen-Mikroskopie.

Die Wissenschaftler vermuten, dass eine verstärkte APOE2-Produktion im Gehirn den Abtransport von Beta-Amyloid über das Blut beschleunigen und dadurch Ablagerungen verhindern kann. Ziel einer neuen Therapie wäre es demnach, das APOE4-Gen, falls vorhanden, zu hemmen und stattdessen für eine verstärkte Produktion des APOE2-Proteins zu sorgen – durch eine Form der Gentherapie oder auf andere Weise.

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