Fischroboter: Mit nur einer Flosse in alle Richtungen

Die Kombination von Wellenbewegungen seiner Brustflosse lässt Unterwasser-Roboter auch senkrecht in die Höhe steigen wie sein natürliches Vorbild im Amazonas - ein Vorbild auch für schnelle Richtungsänderung bei langsamen Bewegungen
Der Fischroboter und sein natürliches Vorbild
Der Fischroboter und sein natürliches Vorbild
© Northwestern University
Evanston (USA) - Geschickt und wendig in alle Richtungen, mit nur einer Flosse, könnten künftige Klein-U-Boote navigieren, die wie ein Amazonasfisch gebaut sind. Während andere Fische mithilfe von Schwanzflossen vorwärts kommen, nutzt der Weißstirn-Messerfisch eine Art lange Bauchgardine: Je nachdem, wie er diese Flosse in Wellenbewegung versetzt, gleitet er vorwärts, rückwärts oder auch abrupt senkrecht in die Höhe. Nach diesem Prinzip bauten US-Forscher nun einen armlangen schwimmenden Roboter. Wie im Computermodell berechnet, ist er durch geschicktes Kombinieren der Flossenwellen überraschend beweglich und soll helfen, die Bewegungen von Fischen grundlegend zu verstehen. Das berichteten die Forscher kürzlich im "Journal of the Royal Society Interface". Obendrein soll der Roboter wie sein nachtaktives Vorbild mithilfe von Elektrorezeptoren und -sendern Objekte unter Wasser erkennen können. Damit könnte er sich für das Aufspüren von Öllecks unter Wasser ebenso eignen wie für vorsichtige Arbeit und Umweltbeobachtung an fragilen Korallenriffen.

"Das Tier setzt Kräfte in komplett unerwartete Richtungen frei, die ihm akrobatische Fähigkeiten verleihen - was bei seinem Lebensstil, zwischen Baumwurzeln zu jagen und zu manövrieren, eine ganze Menge Sinn macht", erklärt Malcolm MacIver, Professor für Mechanisches und Biomedizinisches Ingenieurwesen an der Northwestern University. Der Roboter-Experte hatte den Weißstirn-Messerfisch (Apteronotus albifrons) schon länger untersucht, um die Nervensignale zu verstehen, mit denen das Fischhirn seine Flossen steuert. Zudem gehört die nachts im schlammigen Amazonas jagende Art zu den schwach elektrischen Fischen, die ständig ein leichtes Summen aussenden. Mithilfe ihrer Elektrosensoren können sie aus dem Rücklauf der Signale - ähnlich einer Fledermaus - ihre Umgebung erkennen.

Statt einer Schwanzflosse besitzt der Weißstirn-Messerfisch zum Vorankommen eine so genannte undulierende Ventralflosse: eine lange bandförmige Bauchflosse, die ständig wellenförmig in Bewegung ist. Je nachdem, ob die wandernde Welle vorn oder hinten an der Flosse beginnt, schwimmt der Fisch vorwärts oder rückwärts, und zwar in beide Richtungen gleich schnell und geschickt. Die seitliche Steuerung übernehmen zwei Brustflossen. So muss das Tier seine Längsachse nicht verbiegen, was die Voraussetzung ist für ein stabiles elektrisches Feld, das er zur Orientierung braucht. Doch die wohl ungewöhnlichste Fähigkeit des Fischs ist das abrupte Aufwärtsschwimmen: Er überlagert dazu zwei gegenläufige Wellen. Eine beginnt am Kopf, eine am Schwanz, sie treffen sich in der Körpermitte und überlagern einander, so die Forscher. Das stoppt den Vortrieb in horizontaler Richtung und das Wasser, das durch die Flossenwellen in Bewegung versetzt wurde, strömt von der Körpermitte nach unten und treibt den Fisch aufwärts. In der Computersimulation und auch im Testbecken glich die Strömungsstruktur einer Pilzwolke mit umgekehrtem Strahl.

"GhostBot" nennt sich der Roboter-Prototyp, nach dem englischen Namen "black ghost knifefisch". MacIvers Team konstruierte ihn gemeinsam mit Maschinenbau-Professor Michael Peshkin und seiner Mechatronik-Firma Kinea Design. An einem armlangen Rohr sitzt eine künstliche Flosse, deren 32 Flossenstrahlen mit einem dehnbaren Kunststoff verbunden sind. Jeder Flossenstrahl besitzt seinen eigenen Motor, der sich unabhängig von den anderen steuern lässt. In einem Strömungstunnel zeigte sich, dass der Wasserfluss rund um den Roboterfisch recht exakt dem berechneten Modell entsprach. Als nächstes wollen die Forscher ihren Prototyp so optimieren, dass er mithilfe seiner Elektrorezeptoren und -sender andere Objekte im Wasser erkennen kann und eigenständig neben sie schwimmt. Vor allem geht es MacIver um Grundlagenforschung: "Der Roboter ist ein Werkzeug, um die extrem komplizierte Geschichte zu enthüllen, wie Tiere ihre Bewegungen koordinieren. Indem wir die Bewegungen des Fisches simulieren und dann ausführen, bekommen wir Einblicke in die mechanischen Grundlagen der bemerkenswerten Wendigkeit eines sehr akrobatischen, kaum sehenden Fisches. Der nächste Schritt ist, sich seiner Sinnesorgane zuzuwenden und beides zu vereinen."

(c) Wissenschaft aktuell
Quelle: "Aquatic manoeuvering with counter-propagating waves: a novel locomotive strategy", Oscar M. Curet, Neelesh A. Patankar, George V. Lauder, Malcolm A. MacIver; Journal of the Royal Society Interface, online veröffentlicht vor Druck


 

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