Evolution: Körperliche Ausdauer förderte Hirnwachstum

„Wir wollen mit unserer Arbeit nicht behaupten, dass körperliche Ausdauerleistung allein für alle Aspekte der Hirnentwicklung verantwortlich gewesen wäre. Aber sie ist ein bisher unbeachteter Faktor, der bei diesem Prozess eine wichtige Rolle gespielt haben könnte“, erklären David Raichlen von der University of Arizona und John Polk von der University of Illinois. Sie begründen ihre neue Hypothese durch Ergebnisse von Tierversuchen, Analysen paläontologischer Skelettfunde und sportmedizinischer Befunde anderer Wissenschaftler. So gebe es starke Hinweise darauf, dass regelmäßiges Ausdauertraining sowohl bei Nagetieren als auch bei Menschen die Neubildung von Hirnzellen stimulieren und Hirnleistungen verbessern kann. Das geschieht wahrscheinlich, indem vermehrt Botenstoffe wie das Neurotrophin BDNF und Wachstumsfaktoren wie IGF-1 und VEGF gebildet werden. Diese verstärken die Durchblutung und damit die Leistungsfähigkeit der Muskeln, wirken aber gleichzeitig auch stimulierend auf das Hirngewebe. Nagetiere, die solche Botenstoffe nicht mehr in ausreichendem Maß produzieren konnten, bildeten weniger Hirnmasse als gesunde Tiere.
In der Evolution des Menschen könnte vor etwa zwei Millionen Jahren eine Auslese anhand der Ausdauerleistung erfolgt sein. Dadurch veränderten sich die Vormenschen körperlich so, dass sie fähig waren, bei der Jagd stundenlang große Strecken laufend zurückzulegen. Gewissermaßen als Nebeneffekt dürfte dabei auch ein Wachstum einiger Hirnregionen angeregt worden sein, was die kognitiven Fähigkeiten verbesserte. Die Autoren hoffen, dass ihre Hypothese einer solchen Verbindung zwischen der Evolution von Körper und Gehirn nun durch weitere Forschungsarbeiten bestätigt werden kann.