Erhöhtes Risiko für psychische Störungen nach einer Infektion
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Infektionen und das Immunsystem an der Entwicklung sehr unterschiedlicher psychischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen beteiligt sind“, schreiben die Forscher um Ole Köhler-Forsberg vom Aarhus University Hospital. Aus früheren Untersuchungen sei bekannt, dass ein Zusammenhang zwischen einzelnen psychischen Erkrankungen und überstandenen Infektionen besteht. Das bestätigten nun die Wissenschaftler, indem sie umfassende Informationen des dänischen nationalen Patientenregisters nutzten und medizinische Daten sämtlicher zwischen 1995 und 2012 in Dänemark geborenen Menschen auswerteten.
Von den knapp 1,1 Millionen Personen wurden 57.000 mit Psychopharmaka behandelt und 42.000 wegen einer psychischen Störung in ein Krankenhaus eingeliefert. Für jeden Einzelnen waren sämtliche sowohl ambulant als auch stationär behandelten Infektionen von Geburt an dokumentiert. Nach einer schweren Infektion mit Klinikaufenthalt stieg das Risiko für eine psychische Erkrankung in den folgenden drei Monaten um 84 Prozent. Insgesamt lag dieser Wert nach der medikamentösen Behandlung einer Infektion bei 40 Prozent. Dieser Zusammenhang war am stärksten beim Einsatz von Antibiotika, die gegen Bakterien wirksam sind, und fehlte bei Medikamenten gegen Viren oder Pilze. Das größte Krankheitsrisiko bestand für Zwangsstörungen, Schizophrenie, Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, Autismus und Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung nach der Infektion erhöhte sich speziell für Zwangsstörungen bei Teenagern um das Achtfache, für Angst-, Verhaltens- und Entwicklungsstörungen bei Jüngeren um bis zum 5,6-Fachen. Generell waren wiederholte Infektionen und ein erhöhter Schweregrad der Erkrankung mit verstärkten mentalen Störungen verbunden. Für Depressionen oder Essstörungen ergab sich kein Zusammenhang mit vorangegangenen Infektionen.
Die Forscher halten es für möglich, dass Infektionserreger direkt das zentrale Nervensystem beeinflussen. Indirekte Wirkungen könnten zum einen darin bestehen, dass die zur Behandlung eingesetzten Antibiotika die Darmflora so verändern, dass dadurch Hirnaktivitäten gestört werden. Zum anderen könnten sich bestimmte, durch die Infektion ausgelöste Abwehrreaktionen des Immunsystems schädlich auf das Nervensystem auswirken. Zusätzliche Faktoren wie der Einfluss von Familie und Umwelt seien nicht auszuschließen. „Diese Studie unterstützt die Annahme, dass Krankheitserreger oder ihre Behandlung bei der Entstehung psychischer Störungen von Kindern eine Rolle spielen“, schreiben Viviane Labrie und Lena Brundin vom Van Andel Research Institute in Grand Rapids, Michigan, in einem begleitenden Editorial. Wenn sich die vermutete kausale Beziehung bestätigt, so die Forscher, könnte das für Vorsorge, Diagnose und Therapie von psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen hilfreich sein.
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