Erdbeben lichtschnell analysieren
„Mit dieser Methode konnten wir die Stärke des Fukushima Erdbebens in Japan schneller und genauer bestimmen als mit bisherigen Systemen – und das ganz ohne seismische Wellen“, sagt Andrea Licciardi von der Université Côte d’Azur in Sophia Antipolis nahe Antibes. Grundlage der Analyse waren die vielen verfügbaren Datensätze, die in Japan von zahlreichen Messstationen nach dem Tōhoku-Erdbeben am 11. März 2011 aufgezeichnet wurden. Erste Analysen der seismischen Wellen unterschätzten damals die Stärke des Bebens und damit auch die Höhe der zu erwartenden Tsumami-Wellen.
In den Datensätzen waren neben den seismischen Signalen aber auch Schwankungen der Gravitation enthalten. Ursache für diese sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitenden Schwankungen sind die Verschiebungen großer Erdmassen mit direktem Einfluss auf die lokal wirkende Schwerkraft. Die sogenannte elastogravitativen Signale sind allerdings extrem schwach und werden zudem leicht von störenden Rauschsignalen überdeckt. Aber mit dem Einsatz von Methoden der künstlichen Intelligenz konnten Licciardi und Kollegen die elastogravitativen Signale aus den Datensätzen filtern.
Die Analyse dieser Daten erlaubte eine genaue Abschätzung der Erdbebenstärke auf die Magnitude von 9,0. Untersuchungen der seismischen Wellen lieferte diesen korrekten Wert erst mit Verzögerung. Damit haben die Geophysiker gezeigt, dass elastogravitative Signale tatsächlich zu einer schnelleren und genaueren Bestimmung der Erdbebenstärke taugen. Zudem ließe sich der Zeitvorteil für eine Tsunami-Warnung wegen der lichtschnellen Ausbreitung um Sekunden bis wenige Minuten verlängern. Aktuell wenden die Forschenden ihre Methode auf Daten von Erdbeben in Chile und Peru an, Untersuchungen eines Alaska-Bebens sollen in Kürze folgen. So könnte in naher Zukunft die Analyse der Bebendaten in den Messstationen um die Auswertung der elastogravitativen Signale erweitert werden.