Das Geheimnis der Aal-Wanderung

Mit kleinen Sonden verfolgen Forscher den Europäischen Aal auf seinem Weg in die Sargasso-See - Deutsche Wissenschaftler planen Expedition ins Laichgebiet
Jungaale müssen 5000 Kilometer von der Sargasso-See bis nach Europa schwimmen
Jungaale müssen 5000 Kilometer von der Sargasso-See bis nach Europa schwimmen
© Eva Thorstad
Silkeborg (Dänemark)/Ahrensburg - Als gebratene oder geräucherte Delikatesse beliebt, umweht den Europäischen Aal noch immer ein großes Geheimnis. Denn die Jungaale kommen nicht hierzulande zur Welt, sondern in der 5000 Kilometer entfernten Sargasso-See nahe dem Bermuda-Archipel. Bisher weiß niemand, warum die Aale diese weite Wanderung auf sich nehmen oder welchen Weg die Tiere vom Laichgebiet nach Europa und zurück einschlagen. Dänischen Forschern gelang es nun, ein wenig Licht in dieses Dunkel bringen. Wie sie in der Zeitschrift "Science" berichten, konnten sie die ersten 1300 Kilometer der Aal-Wanderung über spezielle Sensoren aufzeichnen.

"Die Aale wanderten südwestlich, wahrscheinlich auf einer Route entgegen den atlantischen Strömungen in Richtung Azoren", schreiben Kim Aarestrup und seine Kollegen von der Technischen Universität Dänemarks in Silkeborg. Die Europäischen Aale (Anguilla anguilla), die von der Westküste Irlands aus zu ihrem Laichgebiet im fernen Süden aufbrachen, trugen dazu kleine Sensoren. Diese konnten sowohl die Position als auch die Tauchtiefe der Fische aufzeichnen. Nach einer gewissen Zeit lösten sich diese Sensoren von den Aalen, tauchten an der Meeresoberfläche auf und sendeten ihre Daten via Satellit zu den Forschern.

Insgesamt erhielten die Forscher so Daten von 14 ausgewachsenen Blankaalen. Im Durchschnitt legten diese ab Oktober 2006 knapp 14 Kilometer pro Tag zurück. Um rechtzeitig bis zum April des Folgejahres zum Laichen in der Sargasso-See anzukommen, wäre allerdings eine Tagesstrecke von 35 Kilometern nötig, betonen die Forscher. Doch vermuten sie, dass der Rückstand weiter im Süden über das Mittreiben in geeigneten Atlantikströmungen wieder aufgeholt werden konnte. Aber auch einen abbremsenden Effekt durch die Sensoren können die Forscher nicht vollständig ausschließen.

"Diese Studie ist sehr spannend", sagt Klaus Wysujack, Aalexperte am Johann Heinrich von Thünen-Institut in Ahrensburg bei Hamburg. "Sie zeigt, wie durch die Nutzung neuer Techniken eine Aufzeichnung der Aalwanderung erstmals möglich wird." Neben der Geschwindigkeit und der Richtung offenbarten die Sensoren auch die Tauchtiefe der Aale. So schwammen sie tagsüber in bis zu 700 Meter Tiefe, tauchten über Nacht dagegen in wärmere Bereiche in nur noch 300 Meter Tiefe auf. Zwar kennen die Forscher noch nicht den Grund für dieses Auf und Ab, vermuten aber, dass die Aale so weniger von Raubfischen bedroht würden. Die eigene Nahrungssuche kann dabei keine Rolle spielen, da die Aale während ihrer langen Reise ausschließlich von ihren Fettpolstern zehren.

"Leider ist es dem Team um Aarestrup noch nicht gelungen, die lange Reise vollständig zu messen", sagt Wysujack. Daher bleibe noch viel Raum für weitere Expeditionen, um das Geheimnis um die Migration des Europäischen Aals zu lüften. So bereiten auch die deutschen Aalforscher um Institutsleiter Reinhold Hanel für das Jahr 2011 eine international besetzte Expedition direkt in das Laichgebiet in der Sargasso-See vor, um mehr über den Kreißsaal und die Kinderstube des Aals zu lernen.

All diese Forschungen könnten eine Grundlage für ein genaues Monitoring der Aalbestände, vergleichbar mit den Messungen anderer Fischarten, liefern. Die Entwicklung der Aalbestände unterstreicht auch die Notwendigkeit dafür. Denn seit den aalreichen 1970er Jahren nahm die Zahl der in Europa verzeichneten Jungaale um über 95 Prozent ab. "Die Grundlagen, den Aal effektiv zu schützen, fehlen noch", sagt Wysujack. Denn allein eine mögliche Überfischung oder ein Umkommen in den Wasserkraftwerken der europäischen Flüsse können diesen dramatischen Schwund nicht erklären. Auch Parasiten oder Verschmutzungen der Gewässer könnten zu dem Rückgang beigetragen haben.

Wer neue Erkenntnisse aus dem Laichgebiet der Aale gewinnt, könnte auch den Schlüssel für eine erfolgreiche Zucht dieser begehrten Fische finden. Denn kein einziger der hierzulande verzehrten Aale hatte jemals die Chance, Nachkommen in die Welt zu setzen. Und nach der langen Wanderung und dem Laichen sterben Weibchen wie Männchen noch in der Sargasso-See.

(c) Wissenschaft aktuell
Quelle: "Oceanic Spawning Migration of the European Eel (Anguilla anguilla)", Kim Aarestrup et al., Science, Vol. 325, S. 1660


 

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