DNA-Trick für mehr Sicht bei Nacht

Ungewöhnlicher Aufbau der Zellkerne macht diese zu Mikrolinsen, welche die Lichtausbeute bei nachtaktiven Säugern entscheidend verbessern
Die Stäbchen nachtaktiver Säuger wie der Katze besitzen eine invertierte Zellkernarchitektur, während die tagaktiver Säuger wie des Javaneraffen eine konventionelle Architektur haben
Die Stäbchen nachtaktiver Säuger wie der Katze besitzen eine invertierte Zellkernarchitektur, während die tagaktiver Säuger wie des Javaneraffen eine konventionelle Architektur haben
© Leo Peichl, MPI für Hirnforschung
München/Frankfurt - Bei Nacht sind alle Katzen grau und dennoch erreichen nachtaktive Tiere dank des ein oder anderen Tricks selbst bei Dunkelheit eine gute Sicht. Nun hat ein internationales Forscherteam ein weiteres Geheimnis gelüftet, wie nachtaktive Säuger es schaffen, trotz wenig Licht gut zu sehen: Der Schlüssel liegt in der DNA ihrer Stäbchen, jener Lichtsinneszellen, die für das Sehen im Dunklen zuständig sind. Das Überraschende dabei: Entscheidend ist nicht etwa die enthaltene Erbinformation, sondern die Art und Weise wie die DNA im Zellkern gebündelt ist, berichten sie im Fachblatt "Cell". Die unkonventionelle strukturelle Organisation der DNA in den Stäbchen nachtaktiver Säuger bewirkt, dass die Zellkerne der Sehzellen wie Sammellinsen fungieren und das Licht bündeln statt zu streuen. Das Ergebnis ist eine noch effektivere Lichtausbeute.

"Die konventionelle Architektur, die man in beinahe allen Zellkernen vorfindet, ist auch in den Stäbchen tagaktiver Säuger ausnahmslos vorhanden", erläutert Boris Joffe vom Biozentrum der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Auf der anderen Seite ist die ungewöhnliche invertierte Architektur bei nachtaktiven Säugern universell gegenwärtig." Unter der Leitung von Thomas Cremer hatte die Münchner Arbeitsgruppe gemeinsam mit Kollegen aus Frankfurt, Großbritannien und Kanada die Organisation der Zellkerne in den Stäbchen von beinahe vierzig Spezies untersucht. "Wir haben querbeet geschaut", erläutert Leo Peichl vom Max-Planck-Institut für Hirnforschung, "darunter waren Kuh, Pferd, Esel, Zebra, Katze, Rotfuchs, Frettchen, Eich- und Flughörnchen, Maus, Ratte, Waschbär, Kaninchen sowie Hirsche, Fledermäuse und Affen."

Bei nachtaktiven Säugern hat das interdisziplinäre Team dann die Besonderheit in der Architektur der Zellkerne gefunden: Im Zellkern liegt die DNA in komprimierter Form vor. Sie ist platzsparend um bestimmte Proteine, so genannte Histone gewickelt. Dieser Komplex aus DNA und Protein heißt Chromatin. Dabei unterscheidet sich das so genannte Euchromatin, welches jene DNA-Abschnitte enthält, deren Information gerade gebraucht wird und weniger eng gepackt ist, von dem so genannten Heterochromatin, das nicht benötigte DNA-Abschnitte enthält und dichter komprimiert vorliegt. Während für gewöhnlich das Euchromatin in den inneren Bereichen des Zellkerns und das Heterochromatin in der Peripherie liegt, ist das in den Stäbchen nachtaktiver Säuger genau umgekehrt. Das dichter gepackte Heterochromatin besitzt einen höheren Brechungsindex und bricht Licht somit stärker. Dadurch kommt es zu dem Effekt, dass die Zellkerne als Mikrolinsen fungieren und das Licht bündeln, wenn dieses Chromatin sich geballt im Inneren des Zellkerns statt in der Peripherie befindet. Mehrere solcher Zellkerne übereinander lenken das Licht dann effektiv in Richtung der lichtempfindlichen Bereiche der Stäbchen, was Lichtausbeute und damit das Sehen in der Dunkelheit entscheidend verbessert.

(c) Wissenschaft aktuell
Quelle: "Nuclear Architecture of Rod Photoreceptor Cells Adapts to Vision in Mammalian Evolution", Solovei et al; Cell (Vol. 137, S. 356, DOI 10.1016/j.cell.2009.01.052)


 

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