Corona – Bei Kälte mehr Abstand

Verdunstung von virentragenden Tröpfchen nimmt im Herbst und Winter drastisch ab
 Reichweite von virentragenden Speicheltröpfchen bei 30 Grad Celsius und zunehmender Luftfeuchtigkeit.
Reichweite von virentragenden Speicheltröpfchen bei 30 Grad Celsius und zunehmender Luftfeuchtigkeit.
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Nicosia (Zypern) - Ein Mindestabstand von anderthalb Metern gilt als wichtige Maßnahme gegen eine Ansteckung mit SARS-CoV-2-Viren. Während der warmen Sommermonate reichte diese Distanz auch meist aus. Bei kühleren Temperaturen im Herbst und Winter, begleitet von eine hohen relativen Luftfeuchte, könnten aber noch größere Abstände angebracht sein, um das Risiko einer Infektion gering zu halten. Zu diesem Ergebnis kommen Physiker aus der Republik Zypern, die die Verdunstung von Speicheltröpfchen im Detail simuliert hatten. Ihre Resultate veröffentlichten sie im Fachblatt „Physics of Fluids“.

„Wenn wir die Verdunstung in Abhängigkeit vom Wetter besser verstehen, können wir die Viruskonzentration und die Überlebenschancen der Viren genauer vorhersagen“, sagt Dimitris Drikakis von der Universität Nikosia. Zusammen mit seinem Kollegen Talib Dbouk führte er viele Simulationsreihen durch, um die Verdunstung von ausgeatmeten oder ausgehusteten Speicheltröpfchen mit Durchmessern zwischen 25 und 200 Mikrometern genau zu bestimmen. Dabei berechneten sie die Flugbahnen der einzelnen Tröpfchen. Das ist für das Infektionsrisiko von großer Bedeutung, da die Coronaviren ohne einen Mantel aus flüssigem Speichel schnell zersetzt und damit unschädlich werden.

In die Simulationen flossen zahlreiche Parameter ein, um die Thermodynamik der virentragenden Tröpfchen möglichst genau zu berechnen. So verdunsten die Speicheltröpfchen bei geringer Luftfeuchte und hohen Temperaturen am schnellsten. Bei zehn Prozent Luftfeuchte und 40 Grad Celsius sind die Tröpfchen nach zwei Sekunden weitestgehend verdunstet und ab zwei Meter Abstand kaum noch vorhanden. Steigt die relative Luftfeuchte bei gleicher Temperatur aber auf mehr als 90 Prozent an, verdoppelt sich mindestens die Reichweite der Tröpfchen. Dieser Effekt könnte nach Aussage der Forscher für den deutlichen Anstieg der Infektionszahlen in der indischen Hauptstadt Delhi ab Mitte Juli verantwortlich sein.

Auch für Mitteleuropa finden Drikakis und Dbouk relavante Zusammenhänge. Denn ab Herbst herrschen geringe Temperaturen von etwa zehn Grad bei einer typischen relativen Luftfeuchte von knapp 90 Prozent vor. Bei diesen Bedingungen können virentragende Tröpfchen leicht länger als fünf Sekunden stabil bleiben. Selbst bei einem Abstand von sechs Metern müsste noch mit einer infektiösen Konzentration in der Luft gerechnet werden. Werden die Tröpfchen dazu noch mit einer Geschwindigkeit von knapp zehn Kilometern pro Stunde ausgehustet oder von herbstlichen Windböen erfasst, könnten sie sogar noch weiter getragen werden.

Diese Zahlen machen deutlich, dass der derzeit empfohlene Abstand von anderthalb Metern nur eine Mindestdistanz sein kann. Im täglichen Leben sind allerdings größere Distanzen kaum einzuhalten. Daher kommt spätestens im Herbst dem Tragen von Masken nicht nur in Innenräumen, sondern auch draußen – beispielsweise in gut besuchten Fußgängerzonen oder auf Märkten – eine noch größere Bedeutung zu, um die Infektionsraten möglichst gering zu halten.

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