Auf dem Weg zu neuen Antibiotika gegen Blasenentzündungen

"Bakterien-Haare" werden auf komplexe Weise zusammengebaut und bieten damit Ziele für spezifische Angriffe
London (Großbritannien) - Auf ihrer Außenseite tragen Bakterien, die Infektionen der Blase auslösen, aus kleineren Untereinheiten zusammengesetzte haarähnliche Fortsätze. Diese sind notwendig, damit sich die Bakterien an die Zellen der Blase anheften können. Britischen Forschern ist es jetzt gelungen, die Montage der Fortsätze in ihren einzelnen Schritten zu analysieren, berichten sie im Fachblatt "Nature" (doi:10.1038/nature10109). Sollte es in Zukunft gelingen, in diesen Montageweg einzugreifen, könnten neue Antibiotika gegen Infektionen der Blase entwickelt werden.

Essenziell für die Wissenschaftler des University College London (UCL) sowie weitere Kollegen aus England und den USA war, dass sie die Struktur eines zentralen Proteinkomplexes aufklären konnten. Dieser dient als Drehscheibe und Montage-Plattform beim Aufbau der haarähnlichen Fortsätze, die in der Fachsprache "Pili" genannt werden. Man kann sich das vorstellen wie an einem Fließband: Die Einzelteile der Pili werden zunächst im Inneren des Bakteriums produziert. Im Anschluss werden diese Elemente in Hohlräume der Bakterien-Zellwand transportiert. Dort werden sie dann nacheinander von einer ganzen Reihe von Proteinen begleitet, zusammengeschweißt und durch die Zellwand nach außen gedrückt. Diese Proteine tragen bezeichnende Namen wie "Hebammen" und "Platzanweiser".

Seit der Entdeckung der ersten Antibiotika suchen Mediziner nach Präparaten, die spezifisch Ziele bei den Bakterien angreifen, dem menschlichen Organismus aber möglichst wenig schaden. "Wissenschaftler haben nun viele Jahre gearbeitet, um herauszufinden, wie die Pili zusammengesetzt werden", so der Leiter der Studie, Gabriel Waksman vom UCL. "Dies ist nun der erste Blick auf den Transportweg und die Zusammensetzung der Pili in Aktion. Daraus könnten sich Ziele ergeben, um eine neue Generation von Antibiotika zu entwickeln." Zusammen mit den amerikanischen Kollegen haben die britischen Forscher bereits Moleküle entdeckt, die in den Prozess eingreifen.

Auf dieser Basis entwickelte neue Medikamente könnten in den Infektionsweg bei einer Blasenentzündung eingreifen: Nachdem sich die Mikroorganismen mit Hilfe der Pili an eine Zelle im Blasengewebe angeheftet haben, dringen sie in diese ein. Dort können sie dann mit den traditionellen Antibiotika-Behandlungen nicht mehr erreicht werden. Sie verstecken sich dort und verursachen immer wieder neue Entzündungen. Würde aber bereits der Zusammenbau der Pili verhindert, könnten sie sich nicht mehr anheften - und somit auch keine Zellen mehr befallen.

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Quelle: "Crystal structure of the FimD usher bound to its cognate FimC:FimH substrate", Gilles Phan et. al.; Nature (doi:10.1038/nature10109)


 

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