Im Ernst

Von Fischen, Schulnoten und Boris Becker

Illustration zum Artikel: J.P. Downs et al., <br>Nature, 455, 925 (2008)
Illustration zum Artikel: J.P. Downs et al.,
Nature, 455, 925 (2008)
© Kalliopi Monoyios

von Joachim Czichos

Mit einer kurzen Kopfbewegung nach rechts und links zu blicken kann lebenswichtig sein. Nicht nur, wenn man die Straße überqueren will. Auch beim Betreten eines düsteren Raumes oder wenn es im Wald irgendwo raschelt. Daher sind die anatomischen Voraussetzungen, die nötig waren, damit auf dem Land lebende Wirbeltiere ihren Kopf drehen können, bereits sehr früh entstanden. Schon als der erste steifnackige Fisch sich anschickte, an Land zu gehen, entwickelte er dazu nicht nur Beine und Lungen, sondern auch einen Hals. Das schließen amerikanische Forscher aus fossilen Knochen von Tiktaalik roseae, einem Mischwesen aus Fisch und Lurch, das vor 375 Millionen Jahren in seichtem Wasser lebte, wie die Zeitschrift "Nature" berichtet.

Echte Fische brauchen keinen Hals. Mit einem Flossenschlag können sie blitzschnell ihren ganzen Körper in die gewünschte Richtung drehen. Wer aber festen Boden unter seinen vier Füßen hat, benötigt für eine Körperwendung um 90 oder gar 180 Grad beträchtlich länger - zu lange, um sich gegen einem feigen Angriff aus dem Hinterhalt wehren zu können. Das erklärt, warum bereits Tiktaalik Ansätze eines Halses entwickelt hat. Dieser blieb all seinen vierbeinigen Nachfahren, ob Lurch, Reptil oder Säugetier, erhalten. Und auch als dann der Mensch nur noch mit zwei Beinen auf der Erde stand und zu einer schnelleren Körperdrehung fähig war, mochte er auf diese Erfindung der Evolution nicht mehr verzichten.

So profitieren beispielsweise Schüler davon: Der schnelle Seitenblick ermöglicht ihnen das Spicken beim Nachbarn. Das hebt den Notendurchschnitt und verbessert die Berufsaussichten. Nun mag man einwenden, dass ja gerade intelligentere Schüler nicht auf das Spicken und einen schnell drehbaren Kopf angewiesen seien. Aber was nützt diesen Jungen und Mädchen ein bravourös bestandenes Abitur, wenn sie dann vom Auto überfahren werden, weil sie nicht nach links und rechts gucken konnten? Übrigens: Säße unser Kopf heute nicht auf einem beweglichen Hals, wüsste niemand, wer Boris Becker ist. Denn welches Publikum wollte sich dann noch ein Tennisspiel ansehen?

Ihre Meinung dazu direkt an den Autor: Joachim Czichos


 

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